In der Box: Wie CrossFit® das Training revolutionierte und mir einen völlig neuen Körper verlieh (German Edition)
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An diesem Punkt kommt das Konzept der Skalierung ins Spiel, das es auch Einsteigern ermöglicht, CrossFit zu praktizieren, die nicht einmal eine Wiederholung der genannten Übungen schaffen. Skalierung wird von Außenstehenden oft falsch verstanden. Wenn der erste Eindruck, den man von CrossFit gewinnt, durch Internetvideos von den CrossFit Games oder von WOD geprägt ist, kommt man leicht zu dem Schluss, dass man ohnehin kläglich scheitern würde und sich das CrossFit-Training von vornherein sparen kann. Aber die veröffentlichten WOD sind das, was Greg Glassman als »Speerspitze« bezeichnet. Viele CrossFitter skalieren, nicht nur Anfänger. Der eine mag ein schlechter Läufer sein, der andere schafft vielleicht keine Liegestütze oder Klimmzüge. Deshalb skalieren die Trainer die Übungen bzw. reduzieren ihren Umfang, damit sie für jedermann machbar sind.
Als ich am 4. Juli vor dem Whiteboard stand und mir überlegte, wie ich mich elegant aus der Affäre ziehen könnte, war mir klar, dass ich nicht einmal ansatzweise 100 normale Klimmzüge schaffen würde, geschweige denn einen »Kipping Pull-up« – eine Variante, bei der man vor allem mit seinen Rumpfmuskeln arbeitet, mit den Beinen Schwung holt und sich so nach oben zieht. Mit dieser Technik schafft man ein Dutzend oder mehr Klimmzüge am Stück. Die besten CrossFitter tendieren alle dazu, die noch schnelleren »Butterfly Kipping Pull-ups« zu machen. Es ist faszinierend, sie dabei zu beobachten, und im Vergleich dazu sehen die Kipping Pull-ups kinderleicht aus (was natürlich nicht der Fall ist). Chris Spealler, ein hervorragender CrossFitter (und häufiger Teilnehmer der Games) hat es einmal sogar geschafft, in kurzer Zeit mehr als 100 solcher Butterfly-Klimmzüge zu absolvieren.
Einige Leute behaupten, Kipping Pull-ups seien keine »echten« Klimmzüge, und es stimmt, dass sie leichter sind als normale Klimmzüge. Trotzdem fühlt sich das Herz nach einer Weile an, als würde es gleich explodieren. Sie beanspruchen die großen Muskelgruppen und stellen ein Training dar, das den ganzen Körper fordert und nicht nur die Arme und Schultern. Es ist fast unmöglich, den Kipping bzw. Butterfly Pull-up mit Worten zu beschreiben – in aller Kürze kann man höchstens sagen, dass der Sportler versucht, sich mit einer Schwungbewegung und einem ruckartigen Aufbäumen des Körpers nach oben zu wuchten –, aber es gibt Dutzende von Videoanleitungen auf YouTube, die von verschiedenen Studios bzw. CrossFittern veröffentlicht worden sind.
Damals brachte ich allerdings keine Klimmzüge zustande, egal in welcher Variante. Man drückte mir daher ein dickes grünes Gummiband in die Hand, das ich an der Stange befestigen konnte und das als Schlaufe für meinen Fuß diente, und zu meiner großen Überraschung und Freude half es mir aufwärts. Ich fühlte mich dadurch viel leichter. Die anderen Elemente des WOD – Liegestütze, Kniebeugen und Laufen – schaffte ich ohne irgendwelche Anpassungen, also war dies meine einzige Skalierung.
Pacing oder Temposteuerung ist ein weiteres nützliches Hilfsmittel, das in einem Workout wie Murph überaus nützlich ist. Man kann ein Workout nach Belieben aufteilen – zum Beispiel erst 100 Klimmzüge, dann 200 Liegestütze, dann 300 Kniebeugen machen. Oder man gestaltet die Einheit in Zirkelform. Ich entschied mich für 10 Klimmzüge (mit dem Band als Hilfsmittel), 20 Liegestütze (die ich, als ich müde wurde, in Blöcke à 5 Wiederholungen aufteilte) und 30 Kniebeugen (ebenfalls aufgeteilt). Danach fing ich wieder von vorne an. Als ich schließlich ein gleichmäßiges Tempo gefunden hatte, bemerkte ich, wie meine Muskeln von einer Runde zur nächsten immer schwächer wurden.
Die routiniertesten Sportler im Studio benötigten deutlich weniger als eine Stunde für das Workout. Ich brauchte 1 Stunde und 7 Minuten. Danach ging ich ins »Toronado«, bestellte mir ein großes Schwarzbier und setzte mich in den Biergarten. Es war sonnig und meine Hände zitterten immer noch von der Anstrengung. Ich nippte an meinem Glas und starrte auf die Mauer vor mir. Es fühlte sich gut an. Meine Hassliebe zu CrossFit war entbrannt.
Dosierung
CrossFit wird nachgesagt, dass es wie eine hoch dosierte Medizin wirkt. Genau das habe ich in meinen ersten Tagen am eigenen Leib erlebt. Der Grundgedanke ist, dass Training dann am wirkungsvollsten ist, wenn es aus einer »Vielzahl hochintensiver körperlicher Aktivitäten über verschieden
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