In der Box: Wie CrossFit® das Training revolutionierte und mir einen völlig neuen Körper verlieh (German Edition)

rangen, während Estrada mit verschränkten Armen ungerührt in seiner Ecke stand.
    Was ich damit sagen will? Es war optimal, wenn Paul Estradas Aufmerksamkeit sich gleichmäßig auf eine Gruppe verteilte. Der einzige Teilnehmer zu sein ließ dementsprechend nichts Gutes erwarten. Ich stellte mich darauf ein, dass Estradas kritischer Blick diesmal ausschließlich mir gelten würde.
    Als die Anzeige der Uhr von 10.59 auf 11.00 sprang, sah Estrada erst zu mir und dann auf das Whiteboard. Er dachte kurz über das Workout nach, das an dem Tag anstand, und kam zu dem Schluss, dass man heute ausnahmsweise vom Plan abweichen könne, da ich an jenem Tag der einzige Kursteilnehmer war. Ich wusste, was mir bevorstand, und spürte, wie mir das Adrenalin ins Blut schoss. Mir wurde flau im Magen. Ich schaltete in den Kampfmodus. Mit einem Mal waren alle meine Sinne geschärft – ich konnte hören, wie ein Lkw draußen in den zweiten Gang schaltete. Nervös rückte ich die dunkelrote Strickmütze mit dem Mickey-Mouse-Aufnäher zurecht, die ich mir in Disneyland gekauft hatte. Ich war gleichzeitig voller Tatendrang und Furcht und zeigte auch körperlich alle Anzeichen einer Stressreaktion: erhöhter Herzschlag und Blutdruck und eine höhere Atemfrequenz.
    »Wie wäre es mit Fran? Lust auf ’nen Test?«, fragte Estrada.
    »Klar, warum nicht. Gute Idee.«

Test und Wiederholung des Tests
    Test/retest (»Test/Testwiederholung«) ist ein Ausdruck, den man in der CrossFit-Welt oft zu hören bekommt. Haben Sie Zweifel, dass Ihr Ernährungs- bzw. Trainingsplan den gewünschten Erfolg bringt? Hätten Sie gerne einen evidenzbasierten Beleg dafür, dass Ihre persönliche Fitnessphilosophie tatsächlich funktioniert, aber es gibt keine wissenschaftliche Literatur dazu? CrossFits Antwort auf Fragen wie diese ist: Nehmen Sie die Sache einfach selbst in die Hand. Mit anderen Worten: Machen Sie einen Test und wiederholen Sie diesen.
1. Test: Ermitteln Sie Ihren gegenwärtigen Fitnessstand.
2. Setzen Sie das Programm über einen Zeitraum von mehreren Wochen konsequent um.
3. Wiederholen Sie den Test.
    In jenem November wollte ich den Grundsatz auf die Probe stellen, dass man ein konkretes CrossFit-Ziel am besten erreicht, wenn man möglichst vielseitig trainiert, das heißt keine Trainingsschwerpunkte setzt. Also einfach nur jeden Morgen aufstehen, in die Box gehen, das WOD absolvieren, das man auf dem Whiteboard vorfindet, sich ausgewogen ernähren, viel schlafen, Wasser trinken und den Test wiederholen. Dann sieht man, ob und wie sehr man sich verbessert hat.
    Ich war seit vier Monaten CrossFitter und hatte zahlreiche Erfolgsgeschichten gehört, die sich genau so zugetragen hatten – zum Beispiel von jemandem, der innerhalb von etwa zwei Monaten seinen persönlichen Rekord im Kreuzheben deutlich hatte verbessern können, obwohl er es fast gar nicht trainiert hatte.
    Eine solche Leistungssteigerung widerspricht den konventionellen Trainingsgrundsätzen, mit denen ich aufgewachsen bin, vor allem dem Grundsatz der Spezifität. Dieser besagt, dass man ein sportliches Ziel erreicht, indem man sich verstärkt damit auseinandersetzt. Das heißt also: Wer schneller laufen will, muss viel laufen. Wer im Bankdrücken besser werden will, muss viel bankdrücken. Wer hoch springen will, muss viel springen. CrossFit vertritt dagegen die Auffassung, dass man ein CrossFit-Ziel am besten mithilfe eines bewusst allgemein gehaltenen Programms erreicht.
    Wenn es einen Aspekt an CrossFit gab, den ich nach wie vor für hanebüchen hielt, dann war es dieser. Um fair zu sein, muss man natürlich berücksichtigen, dass es bei CrossFit letztendlich darum geht, eine möglichst breit gefächerte allgemeine Fitness und Gesundheit herbeizuführen. Wenn man mit Trainern über dieses Thema spricht, geben sie sehr wohl zu, dass man seinen Zeitrekord im Workout Fran am schnellsten verbessern kann, indem man hauptsächlich Thrusters und Klimmzüge übt. Allerdings wird man auf diese Weise ein Spezialist, also jemand, der Fran zwar außergewöhnlich gut beherrscht, in allen anderen Bereichen aber Rückschritte macht. Ein anderes Extrembeispiel ist der Marathonläufer, der ausschließlich für lange Läufe trainiert und andere Fitnessaspekte (wie etwa Beweglichkeit) vernachlässigt – alles wird dem großen Ziel untergeordnet, möglichst schnell möglichst weit zu laufen.
    Das CrossFit-Modell lädt hingegen dazu ein, sich Ziele zu setzen und diese zu verfolgen, indem man seine