In der Brandung
wirkte, und hatten alle denselben dummen und feindseligen Ausdruck, der typisch für Tauben ist.
Keine rührte sich jedoch.
Sie sind zu ruhig, dachte ich und streckte, meine Abscheu überwindend, die Hand nach einer von denen aus, die auf der Kommode saßen. Ich berührte sie mit einem Finger, aber sie bewegte sich nicht. Ich tippte eine andere an, und auch diese regte sich nicht.
Dann stupste ich eine dritte an, diesmal etwas fester. Der Vogel fiel zu Boden, was klang wie bei einer Papierkugel oder einem Stück Pappe. Ich versuchte, noch einen weiteren anzuschubsen, und auch dieser fiel leblos zu Boden. Jetzt versuchte ich, obwohl es mich ekelte, einen in die Hand zu nehmen. Ich packte ihn vorsichtig mit Daumen und Zeigefinger, und da verstand ich.
Er war nicht lebendig.
Er war ausgestopft.
Alle Vögel waren ausgestopft, und während ich die Taube noch in der Hand hielt, hörte ich, wie sich ein Rascheln im Zimmer ausbreitete. Es kam aus keiner bestimmten Richtung.
Die Tauben fielen eine nach der anderen zu Boden, ein ganzes Bataillon. Es hagelte ausgestopfte Tauben. Es war widerlich.
Ich hielt die Hände schützend über den Kopf und versuchte, nicht zu schreien, und so blieb ich die ganze Zeit sitzen. Als der Schauer vorbei war, sah ich mich um und suchte den Boden und das Bett ab.
Keine Spur mehr. Jetzt war ich wach.
15
Er machte sich gerade zum Ausgehen bereit, als das Handy klingelte. Da das so selten vorkam, war sich Roberto zuerst gar nicht bewusst, dass das Klingeln ihm galt.
»Hallo.«
»Hallo, hier ist Emma.«
»Emma, hallo.«
»Mir ist eingefallen, dass du mir deine Handynummer ins Buch geschrieben hast.«
»Ja, auf die Innenseite des Umschlags«, antwortete Roberto. Den Bruchteil einer Sekunde später fühlte er sich wie ein Idiot. Wenn sie ihn anrief, hatte sie die Nummer ja offensichtlich gefunden.
»Also, das Buch hat mir sehr gefallen, danke. Beim Lesen kam mir so einiges wieder in den Sinn.«
In diesem Moment fiel Roberto auf, dass Emma eigentlich um diese Zeit in der Praxis des Doktors sein sollte.
»Bist du denn nicht beim Doktor?«
»Nein. Ich kann heute nicht. Ich werde in Zukunft nie mehr montags dort sein, denn … ach, der Grund ist unwichtig, etwas Berufliches. Ich musste den Tag ändern.«
»Oh, dann sehen wir uns also nicht mehr?« Er versuchte, seiner Stimme einen unbeschwerten Ton zu geben, aber ein Gedanke hatte sich in seinem Kopf festgehakt: Wenn sie ihre Sitzungen auf einen anderen Tag gelegt hatte, würden sie sich wahrscheinlich nicht mehr begegnen.
»Genau deshalb rufe ich an. Es ist ja ein wenig so, als wären wir verabredet. Und auch wenn es absurd klingt, dachte ich, dass du dir Sorgen machen könntest, wenn du mich nicht siehst.«
Sie machte eine Pause, und Roberto glaubte das aufgeregte Gemurmel unkontrollierter Gedanken zu hören.
»Da hast du recht. Ich hätte mir Sorgen gemacht, wenn ich dich heute nicht getroffen hätte. Danke.«
Stille, erfüllt von unausgesprochenen Absichten. Jeder spürte, dass der andere kurz davor war, etwas zu sagen, und wartete ab.
»Vielleicht …«
»Ich dachte …«
»Entschuldige, was meintest du?«
»Nein, sag du.«
»Wenn du heute Abend noch nichts vorhast, könnten wir doch etwas Kleines essen gehen oder einen Aperitif trinken. Heute Abend.« Er sagte zwei Mal heute Abend , ohne zu wissen, warum. Doch noch während er es aussprach, bereute Roberto schon, den Vorschlag gemacht zu haben. Was wusste er schon von ihr, bis auf das, was er im Internet gefunden hatte? Er wusste nicht, ob sie verheiratet war – einen Ring trug sie zwar nicht, aber andererseits trug sie ja überhaupt keine Ringe, wie er dank seiner alten Gewohnheit, auf Details zu achten, bemerkt hatte – oder ob sie einen Freund hatte. Er wusste nicht einmal, ob sie womöglich gar keine Lust hatte, ihn zu treffen, und der Anruf nur der Ausdruck einer Persönlichkeitsstörung war.
»Es macht natürlich gar nichts, wenn du nicht kannst oder keine Lust hast. Ich wollte nicht aufdringlich sein, es war nur so eine Idee«, fügte er schnell hinzu.
Sie zögerte noch einen Moment.
»Ich habe nicht viel Zeit, aber für einen Aperitif würde es reichen. Wir müssten uns allerdings bei mir in der Nähe treffen.«
»Gern. Wenn du mir sagst, was bei dir in der Nähe ist, komme ich dorthin.«
»Ich bin in der Via Panisperna. Wir könnten uns auf der Piazza Santa Maria dei Monti treffen, da gibt es eine Bar mit Tischen davor … Heute ist es ziemlich warm, da
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