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In der Falle - Leino, M: In der Falle

In der Falle - Leino, M: In der Falle

Titel: In der Falle - Leino, M: In der Falle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Leino
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wenigstens schon ein Dach.«
    »Das muss es sein«, antwortete Vesa. »Wie wär’s, wenn wir hier auf der Straße stehen bleiben? Wir denken eine Weile an ihn und gehen wieder weg. Einverstanden?«
    »Nein, ich will zu seinem Grab. Dazu bin ich hergekommen«, sagte Mutter und machte sich auf den Weg.
    Vesa wollte ihr nicht folgen. Er wäre lieber nicht an diesen Ort zurückgekehrt. Jetzt, wo er die genaue Adresse kannte, würde er nie wieder hierherfahren. Wenn Mutter es wollte, sollte sie den Bus nehmen.
    Er hörte wieder das Knirschen des Spatens im trockenen Sand und die leisen Stimmen von Macho und den Russen im Hintergrund, und er sah die beiden grünen Bündel, in einem davon sein Vater, der ihn ein paar Stunden zuvor noch niedergemacht hatte, wie es seine beschissene Art war. Vesa fiel wieder ein, dass es einen kurzen Moment gab, wo er fast in Lachen ausgebrochen wäre, so absurd war alles gewesen.
    Mutter war jetzt beim letzten, schon für die Isolierung gelatteten Haus angekommen und versuchte, durch eine der mit Plastikfolie bespannten Fensteröffnungen hineinzuschauen.
    Dann kauf ich uns ein Haus. Und du Pfeife kannst dir schon mal einen warmen Papiercontainer suchen.
    Mutter hatte unrecht. Vielleicht hatte Vater seine Jugendträume gerade nicht vergessen, vielleicht dachte er, dass er es mit seinen Geschäften eines Tages doch noch zu einem eigenen Haus bringen würde. Vielleicht war es ihm sogar ernst damit gewesen, dass Vesa dann nichts darin zu suchen hätte.
    Als Mutter an der aus Spanplatten improvisierten Tür zu rütteln begann, zwang sich Vesa, zu ihr hinzugehen. »Da hängt ein Schloss, Mutter«, sagte er und wollte sie von der Tür wegziehen. Sie klammerte sich an dem Griff aus einem Stück Rohholz fest. »Komm, das reicht doch!«
    »Nein!«, schrie sie, aber sie ließ los.
    Mutter wurde in seinen Armen so schlaff, dass er schon fürchtete, sie würde zusammenbrechen. Aber ihre Kräfte kehrten schnell zurück. Sie löste sich aus Vesas Armen und grub in den Taschen ihrer wattierten Jacke.
    »Was suchst du?«
    »Ich zünde Arto eine Kerze an«, sagte Mutter und zog ein Grablicht aus der Tasche, dessen gelochter Deckel golden glänzte.
    »Das tust du, verdammt noch mal, nicht!«
    »Fluch nicht am Grab deines Vaters!«, sagte Mutter, die auch Streichhölzer eingesteckt hatte. »Ich tu’s, basta. An Weihnachten gedenkt man seiner verstorbenen Lieben, das gehört sich so.«
    »Stimmt. Aber das hier ist kein Friedhof.«
    »Doch, ist es.«
    »Wie lange brennt die Kerze?«
    »Einen Tag.«
    »Das geht nicht.«
    »Doch«, sagte Mutter und zündete ein Streichholz an.
     
    Die Kerze stand nah beim Sockel des Hauses, und ihr flackerndes Licht beschien den von Frost und Feuchtigkeit gezeichneten Beton. Mutter stand mit gefalteten Händen und gesenktem Kopf davor, und Vesa schaute sich besorgt um. Zum Glück war sie wenigstens auf seine Bitte eingegangen, die Kerze an einer Stelle aufzustellen, die weder von der Sienikuja noch von der Ylästöntie aus eingesehen werden konnte. Wenn man es nicht genau nahm, konnten hier sogar Friedhofsgefühle aufkommen.
    »Weißt du noch, wie Arto dir Pfeil und Bogen gemacht hat?«, fragte Mutter. »Da warst du fünf Jahre alt. Wir hatten in der Nähe von Mäntyharju ein Sommerhäuschen gemietet, und es war ein wunderbarer Sommer, immer nur Sonne und blauer Himmel. Erinnerst du dich?«
    »Nein«, sagte Vesa. »Ich weiß nicht mal mehr, wie das Wetter letzten Sommer war.«
    »Ich rede von dem Bogen. Arto hat dir beigebracht, wie man damit schießt. Er hat dir eine Zielscheibe aus Pappe gebastelt, und du warst so glücklich, als du zum ersten Mal fast ins Schwarze getroffen hast. Du hast darauf bestanden, dass wir ein Foto von dir und Vater vor der Scheibe mit dem Pfeil machen. Du hast mit dem Bogen in der Hand dagestanden, und Arto saß in der Hocke neben dir.«
    »Ich sag doch, ich kann mich nicht erinnern.«
    »Wir haben das Foto noch. Wenn du willst, kann ich’s dir nachher zeigen.«
    »Ich will mir keine alten Fotos ansehen.«
    »Dann eben nicht«, seufzte Mutter. »Wieso hab ich bloß das Gefühl, dass du vollkommen vergessen hast, dass es auch gute Momente mit deinem Vater gegeben hat.«
    Vesa sagte nichts. Mutter hatte natürlich recht, aber solche Momente waren so selten gewesen, dass er es vorzog, sich überhaupt nicht daran zu erinnern.
    Weißt du noch, wie viel Spaß wir zusammen hatten, als du noch klein warst? Manchmal vermisse ich die Zeiten.
    »Erinnerst du

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