In der Falle - Leino, M: In der Falle
noch. Nach dem Rest des alten Jahres, den Tuomisto ihm frei gegeben hatte, hatte er im Januar alten Urlaub genommen und Überstunden abgebaut. Was hatte er gerade Weltbewegendes auf dem Tisch? Eine Cannabisplantage in einer Zweizimmerwohnung in Konala und drei Gramm Haschisch, die bei einer Verkehrskontrolle in einem Handschuhfach aufgetaucht waren. Er hatte Sundström gehabt und seitdem nichts. Während der freien Tage im Januar hatte er ernsthaft überlegt, ob er nicht kündigen und auf eigene Rechnung weitermachen sollte.
Er wäre nicht der erste, der einen Sicherheitsdienst aufmachte oder eine Privatdetektei. Oder sonst was in der Richtung. Einer der letzten, der zum Abschiedskuchen ins Konferenzzimmer eingeladen hatte, Roine, war sogar noch weitergegangen und zu seinen Wurzeln zurückgekehrt: Er bewirtschaftete mit seiner Frau einen Biohof in Mittelfinnland. Gelegentlich wurde gewitzelt, dass er wahrscheinlich Hanf anbaute.
Bei seinem Abschied hatte Roine jedenfalls so ausgesehen, als wäre ihm eine Zentnerlast vom Rücken genommen. Als er das letzte Mal zum Aufzug ging, schien er geradezu zu schweben. Er drehte sich auf dem langen Gang kein einziges Mal um, und Viitasalo, der ihm nachschaute, spürte deutlich den Stich, den ihm der Neid versetzte, als er in sein Arbeitszimmer zurückkam und auf dem Schreibtisch den Aktenstapel sah, der jeden Moment einstürzen konnte.
Sari hatte Viitasalo von seinen Fluchtgedanken nichts erzählt. Alles zu seiner Zeit und in der richtigen Reihenfolge. Erst Sari, dann er.
Erst die Familie, dann die Arbeit. Konzentrier dich auf deine Familie, und mach das Diensthandy aus!
Tuomistos Worte waren ihm zu einer Art Mantra geworden, das er jederzeit abrufen konnte: auf Skiern in der Loipe in Paloheinä, im Krankenhaus, wenn er Sari besuchte, abends, wenn er Liina und Teddy Pontus zudeckte, oder in den Stunden, wenn er vor dem Jetzt in nostalgische Erinnerungen flüchtete und in ihrem Familienalbum blätterte – vor allem aber, wenn er nach seiner Bettlektüre in der Nachttischschublade griff und das stumm daneben liegende Diensthandy sah. Jedes Mal, wenn er die Schublade wieder zumachte, dachte er darüber nach, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn er sein Diensthandy für immer abschaltete. Der bloße Gedanke daran war so befreiend, dass er ein paarmal beschloss, noch am selben Tag mit Sari zu reden. Er könnte es ja erst nur vorsichtig anklingen lassen, als mögliche Alternative. Später, wenn Sari zu Hause wäre, würde er auch Sundström von seinen Plänen erzählen. Falls Sari ihnen zustimmte. Bei Sundström würde er nicht lange um den heißen Brei herumreden. Wenn er aus dem Polizeidienst ausschied, hatte Sundström keine Verwendung mehr für ihn, so sah’s aus, und genau so würde er es dem Dreckskerl auch hinreiben: Friss, Vogel, oder stirb! Wenn Sundström sich querstellte, gab es auch eine andere Lösung, aber darüber wollte er jetzt nicht nachdenken. Erst kam Sari.
Erst die Familie, dann die Arbeit.
»He! Aufwachen!« Falck schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Hast du Kinder?«, fragte Viitasalo.
»Nein. Und ich werde auch keine haben«, antwortete Falck mit einem irritierten Stirnrunzeln. In seinem Blick lag für einen kurzen Moment etwas Melancholisches, dann war es wieder weg. »Was hat das mit der Sache hier zu tun?«
»Ich dachte nur«, sagte Viitasalo und zeigte auf Falcks rechte Schulter. »Du hast getrockneten Rotz auf dem Sakko.«
Falck warf einen Blick auf seine Schulter und fluchte.
»Das hier ist kein … Ich hab einen Hund. Onni.«
»Guter Name«, nickte Viitasalo. »Wer leitet bei der KRP eigentlich die Untersuchung? Ich hätte da eine Idee, was Hartikainen betrifft.« Er hatte beschlossen, im Zusammenhang mit dem Fall Sundström um Auskünfte über den Vermissten zu bitten. Er leitete die Untersuchung zwar nicht mehr, aber Kivi hätte wohl kaum etwas dagegen. »Ich schreib dir eine Mail und geb dir Bescheid, was sie sagen. Wenn sie überhaupt was über ihn haben, müssen sie’s nur noch mit uns teilen wollen«, sagte er. »Mehr kann ich nicht tun.«
»Danke«, sagte Falck, der den Fleck auf seinem Sakko mit einem Papiertaschentuch und Spucke bearbeitete, allerdings mit schlechtem Erfolg. Zusätzlich zum Hundesabber hatte er jetzt weiße Flöckchen auf der Schulter, und das Ganze glänzte auch noch von seiner Spucke. »Scheiße«, sagte er.
Als Viitasalo sein Gesicht zu einem Lächeln verzog, war Falck schon auf den Beinen.
»Ruf
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