In der Falle - Leino, M: In der Falle
Turunen. »Einverstanden.«
Turunen leerte sein Glas. Er hatte alles richtig gemacht. Der Plan wurde mit jedem Schachzug besser. So würde Ratko zwar einstweilen am Leben bleiben, aber Turunen war sich sicher, dass die Russen Ratko in Schweden schneller finden würden als Ratko ihn in seinem Versteck irgendwo am anderen Ende der Welt. Diesmal wartete Turunen nicht, bis Bregovic nachschenkte, und goss sich selbst einen weiteren Whisky ein. Er hatte Grund zu feiern.
»Du weißt schon, wer er ist?«
» Wer ist?«, fragte Turunen, der einen Augenblick nicht bei der Sache gewesen war.
»Der Bulle.«
»Ja«, antwortete Turunen. »Er heißt Juha Viitasalo. Ich hab seine Adresse.«
»Gut. Du kannst ihn aus deinem Adressbuch streichen«, sagte Bregovic.
Turunen warf einen Blick auf Ratko, der mit seinen wenigen Zähnen zu ihm herüberlächelte. Als sich ihre Blicke trafen, schoss Ratko wieder mit dem Finger auf ihn und blies den Pulverdampf fort. Turunen zweifelte keine Sekunde an Bregovics Worten. Aus Kriminaloberkonstabler Juha Viitasalo war soeben ein lebender Leichnam geworden.
Der Abend hatte sich schon über den Hesperia-Park gesenkt, als sie die rutschigen Wege in Richtung Meer hinuntergingen. Viitasalo sah Sari von der Seite an. Ihr Gang war nicht mehr so schwerfällig und wirkte nicht mehr so mechanisch wie noch im Januar. Die Veränderung war bemerkenswert. Das Wächserne war von Saris Gesicht gewichen. Die abendliche Kälte hatte ihre Wangen rot gefärbt, sah Viitasalo, wenn sie für kurze Augenblicke unter der überstehenden Kapuze des Wintermantels sichtbar wurden. Er fand Sari schön wie einen Engel. Sie hatte auch ihren Humor wieder, und das war ein gutes Zeichen. Sie sprachen über die eben an die Öffentlichkeit geratene Nachricht von dem Wanzenproblem, das sie in der geschlossenen Psychiatrischen Abteilung gehabt hatten.
»Für mich kamen die Tierchen gerade recht. Wenn sie nicht für die Kammerjäger die Station hätten schließen müssen, wäre ich vielleicht immer noch auf der Geschlossenen«, sagte Sari. »Als wir die Wanzen zum ersten Mal gesehen haben, sind wir fast durchgedreht. Katja, meine Zimmernachbarin, du weißt schon, war sich hundertprozentig sicher, dass wir eines Morgens alle beide als riesengroße Ungeziefer aufwachen. Gregor Samsa im Zentralklinikum. Für kurze Zeit hab ich da tatsächlich dran geglaubt. Darum haben wir uns auch nicht getraut, dem Pflegepersonal etwas von den Wanzen zu sagen. Wir dachten, dann halten die uns für vollkommen verrückt.«
Viitasalo traute sich erst zu lächeln, als Sari selbst in Lachen ausbrach.
»Bis zur Hiekkarannatie?«, fragte Viitasalo, als sie die Hietakannaksentie erreichten und das eisige Meer mit den leeren Bootsstegen vor sich liegen sahen. »Nur wenn dir nicht zu kalt ist …«
»Geht schon«, sagte Sari und ließ ein Lächeln aufblitzen.
Sie überquerten die Straße nebeneinander. Viitasalo wusste, dass es ihnen beiden gleich ging: Sie hatten so viel zu besprechen, dass sie nicht wussten, wo anfangen und wann. Bei seinen früheren Besuchen hatten sie die Stille mit Gerede über die Rezession und Barack Obama niedergekämpft. Viitasalo hatte sich über Jarkko Nieminens Formschwankungen beklagt, und sie waren sich einig gewesen in ihrem Entsetzen über den Stillstand auf dem finnischen Immobilienmarkt und die wachsende Arbeitslosigkeit. Mit anderen Worten, sie hatten über alles, nur nicht über sich selbst geredet.
»Liina übernachtet bei Marketta«, sagte Viitasalo. »Ich dachte, ein bisschen Abwechslung tut ihr gut. Ich bin, glaube ich, gerade keine spannende Gesellschaft.«
»Du hast ihr hoffentlich Teddy Pontus mitgegeben?«
»Das musste ich gar nicht, darum hat sie sich selbst gekümmert. Ich war nur für die nicht so wichtigen Dinge zuständig, für den Schlafanzug und die Zahnbürste und so was.« Viitasalo lachte. »Sie hofft, dass du zu ihrem Geburtstag nach Hause darfst.«
»Ich auch«, sagte Sari.
Sie gingen schweigend bis zur südlichen Hesperiankatu. Vor den Tennishallen blieb Sari plötzlich stehen. Sie lächelte.
»Weißt du noch?«, fragte sie und zeigte an Viitasalo vorbei.
Viitasalo hätte sich nicht umzudrehen brauchen. Hinter ihm stand eine verschneite Eisbude. Auf dem schmalen Brett am unteren Rand der verriegelten Verkaufsluke hatte sich eine kleine Schneewehe angesammelt, aus der sich von der Brettkante herabhängende Eiszapfen formten. Im Februar hatte es schon ein paar sonnige Tage gegeben. Bald
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