In der Falle - Leino, M: In der Falle
Bombe war. Liina war kurz vorm Sofa, als Sari das Buch aus den Händen fallen ließ.
»Liina, wirf das weg! Schnell!«
Liina erschrak vor ihrer erschrockenen Mutter, die jetzt aufgesprungen war, blieb stehen und ließ den Gegenstand wie eine eklige Spinne aus den Händen gleiten. Er fiel neben Teddy Pontus aufs Sofa.
Sari und Liina starrten beide die Bombe an, dann wandte Sari den Blick zu ihrem mit großen Augen reglos dastehenden Kind. Sie schaffte es noch, die Arme auszustrecken und einen Schritt auf ihre Tochter zuzumachen, bevor die Explosion das Haus erschütterte. Sari hörte den Laut der Explosion nicht mehr, aber sie spürte noch die enorme Druckwelle, die das Glas der Fensterscheiben in einen Splitterhagel verwandelte, der darauf mit ungeheurer Wucht über die frisch mit Kalk bestreute, noch braunfleckige Rasenfläche bis zu den Veilchen und Pelargonien schoss, die Sari und Liina am Wochenende gepflanzt hatten, und sie zerfetzte. Sari dachte noch, dass sie Liinas Haare hätte schneiden sollen, dann verloschen alle Gedanken zusammen mit dem lautlos schreienden Kind und der Welt.
Ratkos Anruf war kurz. Er meldete Bregovic nur, dass die Sache erledigt war.
»Gut. Die Ladung ist auch schon auf der Fähre. Komm nach Hause«, sagte Bregovic auf Serbisch, dann hörte ihn Ratko etwas auf Schwedisch sagen. Offenbar war Turunen bei ihm.
»Bis morgen«, sagte Bregovic wieder auf Serbisch.
»Vielleicht. Kommt auf den Wind an«, antwortete Ratko und legte auf.
Ratko fuhr im vorgeschriebenen Tempo an der Teboil-Tankstelle in Pakila vorbei, dann über den Ring 1 bis zur ersten Ampel, an der er nach Osten abbiegen konnte. Er öffnete das Fenster seines Leihwagens einen Spaltbreit und lauschte.
Aus der Ferne waren die ersten Rettungsfahrzeuge zu hören, als er, an der Ampel wartend, das Fahrziel in sein mobiles Navi eintippte. In der Sibeliuskatu in einer Stadt namens Hamina würde er den Wagen tauschen. Der Wagen, der dort für ihn bereitstand, hatte russische Kennzeichen und auch sonst alles, was er für die nächste Etappe brauchte.
Obwohl Viitasalo die Abkürzung über die Sysimiehentie nahm und schneller rannte als je zuvor in seinem Leben, brauchte er 22 Minuten für die Strecke von etwa 4,5 Kilometern.
Die diffuse Angst, die nach der Detonation in ihm aufgestiegen war, hatte sich mit jedem Schritt verstärkt. Als er die Pakilantie überquerte, sah er schon blaue und orangene Lichter gegen den dunkler gewordenen Himmel leuchten. Schaulustige waren mit Autos, zu Fuß und mit Fahrrädern unterwegs. Viitasalo sah und hörte nichts, sein Kopf war kurz davor zu explodieren, sein Atem war nur noch ein verzweifeltes Hecheln, und sein Herz schlug wie ein Schmiedehammer.
Ein Streifenwagen blockierte die Einfahrt von der Pakilantie in die Ripusuontie, und vier Polizisten in Overalls versuchten, die schnell dichter werdende Menge der Schaulustigen zu stoppen. Viitasalo blieb nicht stehen, um irgendetwas zu erklären, und umkurvte die Menge zur selben Zeit, als ein Übertragungswagen des Fernsehsenders MTV3 dort ankam. Er lief die Parallelstraße, die Elontie, entlang, und als er sich der Kreuzung Kamppitie/Suovantie näherte, befürchtete er nicht mehr das Schlimmste, sondern wusste, dass es geschehen war. Er lief bis ans Ende der Elontie, bog kurz ab in den Wald und sah nach etwa zwanzig Metern das Absperrband am hinteren Ende der Ripusuontie. Viitasalo sprang über den Zaun des Nachbarn auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Der Nachbar stand auf der Terrasse und schaute über die Straße hinüber zu ihrem Haus. Viitasalo roch und schmeckte den Rauch trotz des zähen, festen Schleims in seinen Nasenlöchern.
»Halt, warte!«, rief der Nachbar, als er ihn bemerkte, aber Viitasalo ließ sich nicht aufhalten.
Als er um die Hausecke bog, knirschte der Kies unter seinen Joggingschuhen. Über seinen eigenen heftigen Atem hinweg hörte er das tiefe Brummen schwerer Dieselmotoren.
Er erreichte die Feuerwehrautos, den weißen Transporter der technischen Spurensicherung und zwei Streifenwagen, setzte über ein Gewirr von Schläuchen hinweg und rannte zu dem fensterlosen, von Löschwasser triefenden Haus, das von im Garten aufgestellten Halogenstrahlern in ein gleißendes Licht getaucht wurde. Er hörte Schreie um sich herum, doch ihr Inhalt ging im schrillen Lärm seines Innern unter. Eine Hand versuchte, ihn an der Schulter festzuhalten, aber er riss sich los. Niemand würde ihn aufhalten
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