In der Falle - Leino, M: In der Falle
sicher, keine Spur mehr von einem handfesten Rausch. Für einen Augenblick bewunderte er seinen Vater fast, aber der Anfall ging schnell vorbei.
Vater hatte sich ein massives Problem eingehandelt. Und er saß mit im Boot. Er bezweifelte, dass sie so schnell aus der Sache herauskamen, wie Vater dachte. Was seinem Vater fehlte, war der Instinkt dafür, wann es eng wurde.
»Idiot«, flüsterte Vesa.
Vater war nicht mehr zu sehen, und das Tor im Zaun war zu. Vesas Handy zeigte, dass genau eine von den verabredeten zehn Minuten vergangen war. Und plötzlich kam ihm die Idee, ob er nicht Tiina anrufen sollte. Er könnte ihr eine gute Nacht wünschen, eine bessere Nacht als seine.
Es war eine blöde Idee, das wusste Vesa, bevor die zweite Minute verstrichen war. Die Zeit verging zäh, andererseits wünschte er sich, sie würde ganz stehen bleiben oder noch besser: zurückgedreht werden bis zu dem Zeitpunkt, als Vater die dämliche Idee kam, seinen Boss zu bescheißen. Hätte Vesa sich etwas wünschen können, dann, dass sein Vater bei seiner zweiten Chance begriff, wie dämlich die Idee war, und sie schnell wieder verwarf.
Kurz vorm Ende der fünften Minute klopfte es an die Seitenscheibe. Vesa zuckte zusammen und hob den Blick vom Handy. Ein Pistolenlauf zeigte direkt auf sein Gesicht. Als Vesa sich vom ersten Schreck so weit erholt hatte, dass er die Augen von der Waffe lösen konnte, wusste er, dass er in einem noch viel schlimmeren Schlamassel steckte, als er es sich überhaupt hätte vorstellen können.
»Lass die Hände immer schön sehen, und steig aus!«
Arto Levola saß in Turunens Büro. Turunens russische Gorillas, die er noch nie gesehen hatte, standen hinter der Plexiglasscheibe und rauchten. Auf den ersten Blick sah es aus, als wären sie nicht wirklich daran interessiert, was hinter der Scheibe vor sich ging, aber sie waren es mit Sicherheit. Sie blieben locker, um jederzeit reagieren zu können.
Als Arto die Hallentür geöffnet hatte, waren sie über ihm gewesen, bevor er überhaupt einen Schritt hatte machen können. In weniger als fünf Sekunden hatten sie ihm seine Waffe abgenommen, und nach fünfzehn Sekunden saß er auf einem Hocker Turunen gegenüber, der in seinem federgepolsterten Bürostuhl schaukelte und mit dem Mund nervige Klackgeräusche machte. Es mussten über fünf Minuten um sein, und noch hatte niemand ein Wort gesprochen.
Arto rutschte auf dem Hocker herum und hatte einen schweißnassen Arsch. Aus den Augenwinkeln erfasste er eine schnelle Bewegung hinter der Plexiglasscheibe: Einer der Russen deutete mit der Pistole auf ihn. Turunen hob den Daumen, und das hässliche Gesicht und die Waffe verschwanden.
»Die Jungs sind ein bisschen überdreht«, grunzte Turunen. »Es war ein harter Tag.«
Arto schluckte. Er war erleichtert, dass das Schweigen ein Ende hatte, aber er blieb auf der Hut. Turunen zündete sich in aller Ruhe eine Zigarette an.
»Ich hab erst nichts gesagt, weil ich mir überlegen wollte, was wir mit dir machen. Das Fundament unserer Branche ist Vertrauen, sonst können wir alle zusammen einpacken. Unser Geschäft ist ein Geschäft zwischen ehrlichen Männern«, sagte Turunen und blies eine Rauchwolke in die Luft.
»Du weißt doch selbst, dass unser Deal mir nicht wirklich was eingebracht hat«, sagte Arto und holte tief Luft. Er hatte sich seine Verteidigungsrede gut überlegt. » Ich war’s, der alle Risiken auf sich genommen hat, ich hab die Typen vom Hafen abgeholt, sie zur Baustelle gefahren und in Schach gehalten. Meine Auslagen kannst du dir vorstellen. Und wo sich dann die Möglichkeit geboten hat, mit Enqvist, der sich um die Wohnungen kümmern sollte, da … da hab ich …«
Plötzlich gingen ihm die Worte aus. Die Verteidigungsrede, die er eben noch glasklar im Kopf gehabt hatte, war nur noch eine zähe Wörtersuppe, die keinen Sinn ergab.
»Wo sich also die Möglichkeit geboten hat, mich zu bescheißen, da hast du sie natürlich genutzt«, sprang Turunen ihm bei und stieß eine neue Wolke Rauch aus. »Arto, Arto. Hast du immer noch nicht begriffen, mit wem du es zu tun hast?«
»Nichts für ungut«, hörte Arto sich heiser sagen. »Ich … ich zahl dir den Schaden, wenn … wenn’s darum geht«, hörte er sich stockend fortfahren.
»Das hat Härski auch gesagt.« Turunen grinste schief.
»Härski?«
»Ja«, nickte Turunen. »Weil’s darum natürlich immer geht. Ums Geld. Aber weißt du was: Manchmal geht’s nicht nur darum. Wie bei
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