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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Rosen
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Als wir die Türe öffneten, sprang uns ein verwirrender Stimmenlärm entgegen. Deutsche, französische, englische, italienische Worte. Klirrende Gläser, Schreien und Johlen und Singen und Lachen. Einer sang:
»Trinken wir noch ein Tröpfchen
Aus dem kleinen Henkeltöpfchen!
Oh, Suff – – an – na«
    Dazwischen klang im scharfen Marschtakt ein Refrain, in den alle miteinstimmten:
»Le sac, ma foi, toujours au dos!«
    Die Kantine war gedrängt voll. Auf langen Bänken sahen Hunderte von Legionären in weißem Drillich oder in blauer Jacke, das rote Käppi weit nach hinten geschoben, lachend, trinkend. Auf den Holztischen vor ihnen standen in langen Reihen Flaschen und Gläser, in denen tiefroter Wein funkelte.
    »Hier ist ja kein Platz!« sagte ich.
    »Platz?« lachte Guttinger. » Nom d'un petard , was brauche mer Platz! Der Liter ist d' Hauptsach'!«
    Er drängte sich bis zum Schanktisch durch und hob mit ernstem Gesicht einen Finger hoch. Der jungen Frau, die hinter dem Schanktisch stand, schien dies ein altbekanntes Zeichen zu sein. Sie kassierte mit einem geschickten Griff die drei Kupferstücke des Trommlers ein und reichte ihm eine volle Flasche und zwei Gläser hinüber. Sie mochte wenig über zwanzig Jahre alt sein und trat in dieser Umgebung von schreienden, lärmenden Legionären mit einer Ruhe auf, die imponierend und komisch zugleich wirkte. Es war la cantinière , die Marketenderin des Regiments.
    Nach alter Ueberlieferung muß die Marketenderei der Legion in weiblichen Händen liegen. Die Inhaberin der Kantine ist zwar immer verheiratet, aber das Geschäft gehört ihr und nicht ihrem Mann, und sie ist es, die bei Märschen und im Felde die blaue Marketender-Uniform anzieht und mit ihrem Wagen hinter der Regimentskolonne herfährt.
    Der Trommler nahm die Flasche zärtlich unter den Arm. In einem Winkel fanden wir noch zwei Plätzchen an einem Tisch.
    »Proscht,« sagte er, stürzte den Inhalt des Wasserglases, das hier die Stelle eines Weinglases vertrat, mit einem Zug hinunter und strich sich schmunzelnd den langen grauen Schnurrbart, während er sein Glas schleunigst wieder füllte.
    »Famos ist der Wein!« sagte ich.
    Das war ein Thema, das Guttinger am Herzen lag. Liebevoll sprach er vom Wein Algeriens. Viele Kilometer weit rings um Sidi-bel-Abbès erstreckten sich Weinberge, und die Zange des Thessalagebirges seien eine einzige große Weinpflanzung.
    »Ja, wenn der Wein net wär!« meinte er nachdenklich. »Bei Gott, 's wär' bitterhart manchmal –
Wenn der Wein net wär',
Und der Tabak net wär',
– gäb's sicherlich keine Leschionär!«
    Ich saß und staunte. Schwerer blaugrauer Rauchdunst erfüllte in dicken Schichten den kleinen Raum. Ein Höllenlärm. Man mußte laut schreien, um von Nachbarn verstanden zu werden; ein ruhig gesprochenes Wort wäre unhörbar gewesen wie ein leiser Hauch. Die Legionäre brüllten sich Scherze zu, stiegen auf die Tische und machten allerlei Kapriolen, klirrten mit den Flaschen, schlugen auf die Tische. Es war ein unbeschreiblicher Lärm. Diese Menschen mit den harten Gesichtern und den trotzigen Augen benahmen sich wie übermütige Kinder, die dem Lehrer entronnen sind und sich austoben.
    Mit einemmale klang eine wundervolle Stimme in das Lärmen und Schreien, und sofort war's mäuschenstill. Ich horchte in maßloser Ueberraschung auf. Ein Legionär war auf eine Bank gestiegen und sang mit einer Stimme, die in jedem Chor geglänzt hätte, ein rührendes, klagendes Liebeslied. Nach jeder Strophe kam der gleiche Refrain:
L'amour m'a rendu fou ...
    Aus Liebe nur ward ich ein Narr ...
    Ein Sang von Liebe und Frauen, von Liebessehnsucht und Liebeselend, gesungen in der häßlichen kleinen Kantine der Fremdenlegion ...
    Mir war es, als hätte mich jemand ins Gesicht geschlagen! Mit brennenden Augen sah ich vor mich hin, hörte wie im Traum die weichen Klänge. – Bilder stiegen auf, Gedanken kamen.
    Und alle standen wie unter einem Bann. Niemand rührte sich. Die Stimme jauchzte und jubilierte, weinte und seufzte. L'amour m'a rendu fou klang es leise verhallend.
    Noch einen Augenblick war es totenstill. Dann sprang ein Legionär auf einen Tisch und brüllte:
    » Silence ! Ruhe mit dem Gewinsel! Vive le litre !«
    Le litre ! schrien hundert Stimmen. Das Toben begann von neuem. Der amerikanische Neger, der am Vormittag sehr richtig gesagt hatte, daß ich ein Narr sei, gab den Tanz seiner Rasse zum besten, die grotesken Verrenkungen eines Cakewalk, und die

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