In der Glut der Leidenschaft
Michaela«, erwiderte Cassandra, umarmte sie, lud sie für die nächste Woche zum Mittagessen ein und lächelte Duncan McBain mutwillig an.
»Wo sind Eure Brüder?«, fragte er. »Sollte Euch nicht jemand an der Leine führen?«
»Duncan!«, rief Michaela.
Cassandra winkte ab. »Captain Steif sähe mich am liebsten in einem Turmverlies, nicht wahr?«
»Ja, allerdings, und ohne Aussicht auf Begnadigung.« Cassandra lächelte bloß. »Meine Brüder passen gut auf.« Sie winkte den drei Männern zu, die wie Schildwachen vor einer Reihe hoher Topfpflanzen standen. »Ihr seid keine Bedrohung. Ihr seid zu scheinheilig, um mir lästig zu werden.«
Michaela musste über Duncans Gesicht lachen. »Und Ihr seid mir lästig«, sagte er, als sie aneinander vorbeitanzten.
»Duncan, seid bitte höflich«, mahnte Michaela und merkte, dass Rein sie beobachtete.
Die Partner wechselten, und Duncan blickte plötzlich in Cassandras herausfordernde blaue Augen. »Zu ihr? Das Mädchen weiß nicht einmal, was das Wort bedeutet.«
Cassandra legte den Kopf zurück, sodass ihre schwarzen Locken die nackten Schultern berührten. »Ihr seid unglaublich attraktiv, wenn Ihr zornig seid, Duncan.«
»Benehmt Euch, Kind.«
»Seht Ihr denn nicht, dass ich kein Kind mehr bin?« Ihr Ton verwirrte ihn, während sie sich trennten und wieder aufeinander zutraten. »Es macht außerdem kein Vergnügen, sich gut zu benehmen. Ihr solltet es ausprobieren.« Ihr Blick berührte ihn tiefer, als ihm lieb war. »Das Vergnügen, meine ich. Risiken eingehen, Chancen ergreifen.«
»Lieber Himmel, jemand sollte Euch zähmen«, grollte Duncan.
»Ihr ganz sicher nicht«, wehrte sie geringschätzig ab.
»Das möchte ich auch gar nicht.« Er schob sie härter als nötig ihrem Partner zu. »Seid vorsichtig, Lieutenant. Die Kleine hier hat ein viel zu scharfes Mundwerk für eine höfliche Gesellschaft.«
Cassandras Lachen ärgerte ihn noch, als er sich erneut Michaela zuwandte und mit ihr tanzte, ohne sich an ihrem belustigten Lächeln zu stören.
»Randi ist reizend, findet Ihr nicht auch?«
»Randi?«, wiederholte er Cassandras Spitznamen verächtlich. »Das Mädchen ist locker.«
Michaela amüsierte sich und fand, dass er in diesem Moment wie ein zorniger kleiner Junge wirkte. Über seine Schulter hinweg fiel ihr Blick auf Rein. »Dieser Mann, der mit Seiner Gnaden eintraf, der dunkle Typ - wer ist das?«
Duncan wandte sich kurz um. »Montegomery?«
Montegomery...
Großartig. Sie wagte nicht zu fragen, ob er sich seiner Sache sicher war, um nicht zu viel Interesse zu zeigen. Sie wusste bereits Bescheid. Jeder kannte diesen Mann dem Namen und seinem Ruf nach, aber kaum jemand hatte ihn persönlich zu Gesicht bekommen. Er war bestimmt nicht zum Vergnügen, sondern mit einem ganz bestimmten Ziel hier, und Michaela fürchtete, dieses Ziel zu sein.
»Ich glaube, er ist Seefahrer«, sagte Duncan, »und handelt mit Tee und Kaffee.« Dabei verzichtete er darauf, unbestätigte Gerüchte über den Mann zu wiederholen.
Beinahe hätte Michaela sich verraten. Sie war froh, als die Musik endete. Am liebsten hätte sie Duncan erklärt, dass es nicht nur um Tee und Kaffee ging, sondern vor allem um Schiffe. Schwer bewaffnete und schnelle Schiffe. Über ein Dutzend, wenn sie sich recht erinnerte. Doch das war es nicht, was sie bedrückte. Für sie zählte, dass sie einen solch mächtigen Mann angeschossen hatte.
»Michaela, vielleicht solltest du dich ausruhen«, meinte Duncan stirnrunzelnd. »Du siehst blass aus.«
Vielleicht sollte ich in ein spanisches Kloster flüchten, dachte sie, während Duncan sie von der Tanzfläche führte. Wenn Rein Montegomery sie beschuldigte, ihn verletzt und bestohlen zu haben, war sie erledigt. Dann warf ihr Onkel sie aus dem Haus, und sie hatte die letzten Jahre vergeblich gearbeitet. Rein Montegomery konnte das durchaus erreichen. Er besaß die nötigen Beziehungen. Ihr Onkel und seine Freunde hatten schon oft über seinen Einfluss geflucht. Er war mit dem König von Spanien und Portugal, dem Emir, dem Schah und etlichen Herrschern des Osmanischen Reichs verbündet. Über seine Kontakte wurde nur geflüstert. Michaela fürchtete, auf seinen Wunsch hin noch an diesem Abend an einem Strick zu baumeln.
Bitte, Rein, sprecht nicht darüber, wenigstens nicht hier, dachte sie und ließ sich auf den Sitz sinken. Vielleicht tat er es nicht. Es schien ihm wieder gut zu gehen, und schließlich hatte er bisher nichts
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