In der Glut der Leidenschaft
sehen, wie sich die Spitzen der Britischen Marine und des Parlaments vor einem Mann verneigten, der in ihren Augen ein Paria war. Ein vergnüglicher Abend steht uns bevor, dachte er und stand vom Sofa auf.
Rein warf ihm einen fragenden Blick zu.
»Betrachte mein Haus als deines, Rein.« Christian lächelte. »Lass nur die Dienerinnen in Frieden.«
»Kleide dich geziemend, Mylord. Wir kommen bereits zu spät.« Rein merkte, wie sehr sein Freund sich amüsierte. »Freut mich, dass ich dir so viel Vergnügen bereite«, bemerkte er.
Christian lächelte. »So machen diese reichlich langweiligen Pflichtübungen doch gleich viel mehr Spaß«, erwiderte er und ließ Rein mit seinen Alkoholvorräten allein.
Spaß, dachte Rein verdrossen, leerte sein Glas und stellte es weg. Er erwartete von diesem Abend nichts weiter als üppige Speisen, sanfte Musik und eisige Verachtung sowie pure Neugierde unter dem dünnen Schleier der Höflichkeit. Doch er hatte bei der Suche nach der ganzen Wahrheit schon zahlreiche solcher Abende überstanden. Er stützte sich auf den Kaminsims, starrte in die knisternden Flammen und schob ein Glutstück zurück, bevor es den teuren Teppich versengte. Ein einziger Besuch in England reichte, um ihm zu zeigen, wie wenig er zu dieser Gesellschaft gehörte. Schon jetzt sehnte er sich wieder nach den schwankenden Planken seines Schiffes, den warmen Winden und dem sorglosen Leben auf seiner Insel.
Rein sank in einen Sessel, streckte die langen Beine aus und öffnete das schwarze samtene Wams. Flüchtig strich er über das Medaillon, das unter dem Hemd an einer Kette hing.
Es drückte kühl auf seine Haut.
Rein fühlte die Schwere seiner Taten. Angewidert setzte er sich auf und strich sich durchs Haar. Dieser Abend war mehr als
ein opulenter Ball für einen dekorierten britischen Kommandanten. Er war der nächste Schritt zur Zerstörung des Vertrauens der beiden Menschen, die ihn liebten und sich um ihn sorgten, wenn er einsam und allein war. Ransom und Aurora erhellten sein Leben seit zwanzig Jahren.
Er schuldete ihnen Loyalität, doch genau die würde er heute Abend opfern.
Das werden sie mir niemals verzeihen ...
Rein wusste nicht, ob er sich selbst jemals den Betrug an den einzigen ihm nahe stehenden Menschen verzeihen würde.
Es blieb ihm jedoch keine andere Wahl.
Er musste es tun, um nicht den Verstand zu verlieren.
Michaela wanderte von einer Gästegruppe zur anderen. Stimmengewirr, das Klingen von Gläsern und Klappern von Porzellan mischten sich, während sie die Diener dirigierte, darauf achtete, dass das Büfett ständig gefüllt wurde, und sich von den Offizieren fern hielt, die mit ihr tanzen wollten.
»Der Wein wird schon knapp, Ma'am«, raunte ihr ein Diener zu.
»Schick James in den Keller, befahl sie. »Er soll noch zwei Dutzend Flaschen hochholen. Notfalls greifen wir auf die Vorräte im Arbeitszimmer des Brigadiers zurück.«
Der Diener sah sie entsetzt an, doch Michaela lächelte bloß mutwillig und scheuchte ihn weg. Ihr Onkel würde das Opfer billigen, wenn es ihn vor einer Blamage rettete. Er und Major Winters steckten die Köpfe unter den Perücken zusammen und redeten vermutlich über sie, wie die verstohlenen Blicke des Majors andeuteten. Michaelas Miene ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihn zur Hölle wünschte, doch er lächelte höchst liebenswürdig zurück. Vermutlich drang in diesen Dickschädel nur eine Kanonenkugel ein!
Jemand berührte sie am Arm, und sie drehte sich hastig um.
»Duncan!«, stieß sie hervor und lächelte, als sie das vertraute Gesicht des früheren Adjutanten ihres Vaters vor sich sah.
Duncan McBain betrachtete sie finster. »Geht es dir gut, Mädchen?« War das ein blauer Fleck auf ihrer Wange?
»Natürlich. Schön, Euch zu sehen. Unterhaltet Euch gut, Captain.« Sie wollte weitergehen, stockte jedoch.
»Michaela?«, fragte Duncan, als ihr Lächeln erstarb. Sie antwortete nicht, und er sah in die Richtung, in die sie starrte. »Dein Onkel lädt interessante Gäste ein, nicht wahr?«
Michaela hörte nicht zu. Das Blut gefror ihr in den Adern, und ihr Herz raste vor Angst.
Schwarz wie die Nacht hob der Mann sich von allen anderen ab, während sein scharfer Blick herausfordernd über die Gästeschar glitt. Einen Moment dachte Michaela noch, fliehen zu können, ohne von ihm bemerkt zu werden. Doch dann richteten sich die hellblauen Augen auf sie und nahmen sie gefangen.
Jetzt brauchte sie Hilfe. »Tanzt mit mir, Duncan«, flehte
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