In der Glut der Leidenschaft
»Wer ist da?«
»Guten Abend, kleine Mörderin.«
Sie sprang auf. »Rein!«
Sein Name klang süß aus ihrem Mund. Rein trat zwischen den Bäumen hervor.
Michaela starrte ihn fassungslos an und genoss seine Nähe, bis ihre mädchenhaften Fantasien verschwanden und das Misstrauen erneut die Oberhand gewann. »Wie lange seid Ihr schon hier?« Hoffentlich hatte er den Mann nicht gesehen.
»Lange genug, um zu wissen, dass Ihr mit dem Brigadier verwandt seid.«
»Ich bin seine Nichte«, räumte sie verdrossen ein.
»Dann war Richard Euer Vater.«
»Ihr kanntet ihn?«
»Nein«, entgegnete er voll Mitgefühl, als sie sich ermattet setzte. »Mein Vater erwähnte ihn bei Gelegenheit.«
Sie nickte und ließ den Blick über ihn wandern. Abgesehen von seinem Gesicht und dem weißen Hemd ähnelte er einem Geist in der Dunkelheit. Wie drinnen im Ballsaal empfand sie Angst und war gleichzeitig fasziniert. Es kam ihr so vor, als könnte er ohne Worte mit ihr sprechen.
»Ihr habt mich zuvor nicht gefürchtet, Michaela.«
Sie liebte es, wie er ihren Namen aussprach. Es klang melodisch. »Das tue ich jetzt auch nicht.«
»Ihr bebt.«
Sie zuckte zusammen. »Was sind wir doch heute Abend von uns eingenommen«, bemerkte sie hoheitsvoll. »Ich friere.«
Sofort zog er die Jacke aus, legte sie ihr um die Schultern und sah ihr in die Augen. »Trotzdem finde ich da Angst.« Beim Gott des Donners, er wollte nicht, dass diese Frau in seiner Nähe zitterte.
»Euer Ruf eilt Euch voraus.«
»Ist er wirklich so schlimm?«, erkundigte er sich.
»Ja, ganz entsetzlich«, erwiderte sie lächelnd.
»So schlimm bin ich gar nicht, kleine Mörderin.«
Und ob, dachte sie. »Lady Buckland denkt da anders. Sie schwenkt Euren Namen wie ein Turnierbanner.«
Er zog die Hände von ihren Schultern. »Katherine sollte ihre Zunge hüten«, sagte er leise, aber scharf. Es gefiel Michaela nicht, wie leicht ihm der Name dieser Frau über die Lippen kam. Das deutete auf eine Intimität hin, von der sie nichts wissen wollte. »Ich bin lediglich ein schlichter Pflanzer.«
Sie warf ihm einen tadelnden Blick zu. »Erwartet Ihr von mir, dass ich einen solchen Unsinn glaube?«
Sein leises Lachen klang verführerisch. »Glaubt, was Ihr wollt, Michaela, aber ich weiß jetzt schon, dass Ihr mir vertrauen werdet.«
»Ihr wisst gar nichts über mich, Rein Montegomery.«
»Ihr schleicht, als Junge verkleidet, in der Dunkelheit herum und schlitzt Banditen auf. Mit meinem Messer, nehme ich an.«
Sie erstarrte, und er sah fasziniert zu, wie sie etwas zwischen den Brüsten hervorzog.
»Was habt ihr denn da drinnen, Mädchen?«, fragte er und beugte sich vor.
»Rein!«, zischte sie und wurde rot. »Habt Ihr kein Schamgefühl?«
»Schamgefühl bedeutet, dass man sein Handeln bedauert.«
Michaela musste lächeln.
»Und ich könnte es niemals bedauern, Euch angesehen zu haben.«
»Habt Ihr tatsächlich noch mehr von diesem Unsinn auf Lager?«
Lächelnd ließ er den Blick weich wie Samt über sie gleiten. Unbehagliche Stille senkte sich über sie beide, bis Michaela den Arm ausstreckte. In der offenen Hand lag die rasiermesserscharfe Klinge.
Rein starrte wie gebannt auf das Messer. Eine Erinnerung tauchte blitzartig auf - eine blutige Hand, eine Klinge, schlaffe Finger. Der Schmerz traf ihn unerwartet. Michaela sah ihn eindringlich an. Eine Frau, die ihm in der Dunkelheit ein Messer reichte, als wollte sie sich ihm opfern, wusste nichts über ihn und die hässlichen Dinge, die er nicht loswurde.
Rein beugte sich zu ihr und schloss ihre Finger um den Griff.
»Behaltet es.« Wenn sie es nötig fand, sogar jetzt ein Messer bei sich zu tragen, bedeutete es, dass mehr als diese schmale Klinge nötig war, um sie zu beschützen.
»Ihr werdet mich nicht als Diebin entlarven?«
»Natürlich nicht«, wehrte er betroffen ab.
Sie strich sich über die Stirn. »Rein ... ich muss Euch fragen ... obwohl ich kein Recht habe, auch nur anzunehmen, Ihr würdet ...«
»Ich werde Euch nicht an den Haaren zum Gericht zerren, weil Ihr auf mich geschossen habt«, fiel er ihr ins Wort. »Michaela, seht mich an«, verlangte er.
Sie gehorchte, und die Schönheit ihrer Augen faszinierte ihn.
»Wollte ich Euch für die Wunde bezahlen lassen, wärt Ihr bereits im Kerker gelandet.«
Vor Erleichterung traten ihr Tränen in die Augen. Sie lehnte sich gegen die raue Baumrinde. »Ich wusste es.«
»Vertraut Ihr mir?«
»Wohl kaum«, wehrte sie ab.
»Ich habe nicht verraten, dass
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