In der Glut der Leidenschaft
ihre Flucht vor den Soldaten und daran, wie sie einem Gentleman in die Arme gelaufen war.
Von wegen! Einen Moment hatte sie gedacht, in Sicherheit zu sein; in der Kutsche konnte sie den Männern entkommen, die seit Tagen hinter ihr her waren. Doch während sie noch unentschlossen dastand, hatte Jean-Pierre DuMere sie in das Gefährt gestoßen und ihr ein nach Mandeln riechendes Taschentuch auf den Mund gedrückt. Danach war alles verschwommen.
Hier war sie wieder aufgewacht.
»Diana, alles in Ordnung?«, fragte Michaela.
Das Mädchen nickte, kaute auf dem Daumen und sah sich nervös im Keller um. Die Drohung, Diana zu töten, war eine neue Form der Folter. Michaela durfte sich nicht länger widersetzen. Allerdings wusste sie noch immer nicht, welche Pläne dieser Mann mit ihr hatte.
Ein dumpfer Schmerz im Kopf holte sie aus einem Reich, in dem es keinen Schmerz gab. Es duftete süßlich nach Parfüm. Sie versuchte, sich zu erinnern. Ihr Mund war trocken, und als sie sich die Augen reiben wollte, konnte sie den Arm nicht bewegen. Ihre Hände waren am Kopfende eines Bettes festgebunden.
Michaela wurde schlagartig wach und sah sich im schwachen Lichtschein um. Sie lag auf einer weichen Matratze, und als sie nach oben sah, erblickte sie rosafarbene golddurchwirkte Seidenbahnen.
Das war ganz sicher nicht mehr der Keller. Michaela drehte den Kopf. Sie befand sich im Boudoir einer Dame. Panik ergriff sie, als ihr bewusst wurde, um was für eine Dame es sich dabei handelte. Sie sah einen Paravent, zwei Schränke, eine Kommode, Sessel und ein Sofa am Kamin. Sie selbst lag auf einem breiten Bett mit samtenen Decken und Satinkissen.
Schlagartig wurde ihr klar, weshalb sie entführt worden war.
Sie wollte nicht einmal darüber nachdenken, was diese Lederriemen und ledernen Halsbänder neben dem Bett zu bedeuten hatten.
Sie versuchte, sich aufzusetzen, doch die seidenen Bande fesselten sie an den Bettpfosten. Das Bett bebte, als sie sinnlos zog und zerrte. Sie durfte nicht weiter denken, sonst hätte sie den Verstand verloren. Vorsichtig versuchte sie, höher zu rutschen, doch jede Stelle ihres Körpers schmerzte. Und sie roch noch nach dem Keller.
Die Tür flog auf. Eine Frau, in silbernen Taft gekleidet, kam herein. »Na also, höchste Zeit, dass du wach bist.«
»Wie komme ich hierher?«, krächzte Michaela.
Die junge Frau lächelte bitter. »Wie die meisten von uns. Von der Straße weggeschnappt. Ist kein schlechtes Leben. Ich schlafe auf Satin und Seide und habe genug zu essen.«
Als ob das eine Entführung gerechtfertigt hätte!
»Bindet mich sofort los!«, verlangte Michaela.
Die dunkelhaarige Frau schüttelte den Kopf. »Wenn du Forderungen stellst, Süße, gibt es Prügel. Du bist nicht in der Lage, etwas zu verlangen.« Sie stützte die Hand in die Hüfte. »Was hast du denn getan, dass Jean-Pierre so sauer war?«
»Ich habe wohl nicht nach Wunsch gehandelt.«
Die Frau sah sie warnend an. »Gehorche ihm, sonst stirbst du.« Sie trat an eine Kommode, füllte Wasser in eine Schüssel und holte ein Handtuch aus dem Schrank. »Sie bringen heißes Wasser für dich herauf.«
Michaela stöhnte beinahe auf. Endlich konnte sie sich waschen. Am ganzen Körper verspürte sie ein Kribbeln und wagte nicht einmal, sich vorzustellen, woher es stammte.
»Ich bin Guinevere. Er ändert unsere Namen. Du brauchst mir also den deinen gar nicht zu sagen.« Sie trat ans Bett. »Die meisten nennen mich Gwen.« Es klopfte, doch sie achtete nicht darauf, sondern griff nach den Fesseln und löste sie. Michaela setzte sich ruckartig auf, und Gwen wich hastig zurück.
»Ich tue dir nichts«, versicherte Michaela und bewegte die Arme, als sie frei war.
»Das sagen alle.« Gwen deutete zur Tür. »Komm mit.«
Michaela rührte sich nicht von der Stelle. »Wohin?«
»Baden. Du bist hübsch, aber du stinkst.«
Lächelnd kratzte sich Michaela am Arm. »Was plant er für mich?«
Gwen sah sie mitfühlend an. »Ein Bad und ein Essen. Mehr weiß ich nicht.«
Michaela wollte keinesfalls auf baden und essen verzichten Sie brauchte Kraft, um sich zu wehren. Darum folgte sie Gwen aus dem Zimmer, obwohl ihr schwindelig wurde und sie sich am Türrahmen abstützen musste.
»Komm, Mädchen, es gibt Brötchen und Marmelade und Tee.« Gwen zog sie am Arm weiter.
An jedem Ende des langen Korridors stand ein bewaffneter Mann. Alle Türen waren geschlossen. Die Wächter versperrten die Fluchtwege. Unter den Mänteln sichtbar trugen
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