In der Gruft der Moenche
entlassen, als einer der letzten Angestellten. Das tat Branco furchtbar leid, denn die beiden mochten sich sehr. Nagurski übernahm von nun ab alle Reparaturen selbst, um Geld zu sparen. Der riesige Kasten war längst noch nicht abbezahlt und die Banken wollten ihr Geld sehen. Eine kurze Zeit lang war das Hotel völlig leer. Dann sprach sich wohl herum, wie ruhig es hier bei uns in den Bergen ist. Jede Menge Wissenschaftler kamen her und verbrachten Wochen und Monate in dem Hotel. Ja, und dannâ¦Â« Martin sah die drei mit unheilvollem Blick an. » Dann kam es zu jenem fürchterlichen Tag im November, über den die Kinder der damaligen Augenzeugen noch heute den Mund verschlieÃenâ¦Â«
Ein schwarzer Tag im November
Als ob die Spannung nicht zum ZerreiÃen gewesen wäre, nahm sich der alte Martin Zeit, allen noch einmal Minze in die Tassen zu legen und mit frischem heiÃen Wasser zu übergieÃen.
SchlieÃlich hielt Adam es nicht mehr aus. » Sie meinen sicher den 13. November 1929, als im Hotel der Blitz eingeschlagen hat.«
Aber das Gesicht des alten Bauern verdunkelte sich. » Nein, kein Blitz«, widersprach er. » Falls du mit deiner Vermutung die Brandspuren am Nordflügel meinst, die hatten eine andere Ursache. Aber der Reihe nach.«
Er massierte sich das Kinn, als suchte er nach den richtigen Worten. Worten, die das Schreckliche begreifbar machen konnten.
» Im Hotel lebten nach 1927 fast ausschlieÃlich Wissenschaftler. Also Menschen, die mit den Bauern und Handwerkern hier nichts gemein hatten. Man sah sie ab und zu bei Spaziergängen und hörte ihre seltsamen Gespräche, die sich um das Altertum, Ausgrabungsstätten, Physik und Medizin drehten. Manche von ihnen unterhielten sich sogar auf Englisch oder Französisch. Schnell kamen Gerüchte auf, im Hotel International würden seltsame Dinge vor sich gehen. Jemand sprach von Menschenversuchen.«
Martin kniff wegen der Helligkeit die Augen zusammen, aber in diesem Moment schob sich eine Wolke vor die Sonne. » Es hieÃ, Branco Nagurski würde in dem Hotel merkwürdige Experimente durchführen. Aber sicherlich verwechselten sie den armen Leitner Hans nur mit seiner Paraderolle in den Stummfilmen. Doktor Jezebel, einem Bösewicht, der seine Opfer hypnotisierte und die Willenlosen dann zu allerhand Verbrechen anstiftete.«
» Was ist denn nun mit dem Brand?«, drängelte Adam. Der Tee schmeckte ihm nicht mehr. AuÃerdem wurde es langsam Abend. Zeit, ins Hotel zurückzukehren. Wenn sie zum Abendessen nicht da waren, würde es Riesenärger geben.
» Na ja, das Hotel war den Einheimischen nicht mehr geheuer. Alle machten einen groÃen Bogen um den Kasten, auf den sie noch vor wenigen Monaten so stolz gewesen waren. Ein Jahr verging. Dann aber verschwand ein Junge aus dem Dorf. Giorgio hat er geheiÃen, Giorgio Rossi. Die anderen Buben hatten ihn immer geärgert, weil er so ängstlich war. Eines Tages war er die Hänseleien leid und stapfte in der Dämmerung zum Hotel hoch. Allein. Als eine Art Mutprobe.«
Kitty schluckte. Sie sah den Bauernjungen ganz deutlich vor sich. Wie er mit wackligen Knien auf die Terrasse des Hotels trat. Die Tür öffnete und in die Empfangshalle schlich. » Und dann?«
» Als er zurückkam, redete er kein Wort. Aber von da an sah man ihn häufiger in der Nähe des Hotels. Bis zu jener Nacht im November, die das ganze Dorf am liebsten vergessen würde. Obwohl kein Augenzeuge von damals mehr lebt.«
Das Kribbeln in Adams Bauch meldete sich wieder. Ein ganzer Ameisenschwarm machte sich dort breit. » Was ist passiert?«, fragte er mit bebender Stimme.
Martin zuckte mit den Schultern. » Niemand weià es. Giorgio war wieder am Hotel. Aber diesmal kehrte er nicht zurück. Weder tot noch lebendig. Zuletzt wollte ein GeiÃenhirt ihn dabei gesehen haben, wie er die Treppe zur Terrasse hochstieg.«
Adam wurde es heià und kalt. Er kippte sich den restlichen Tee in den Hals, aber seine Kehle blieb staubtrocken.
» Die Bauern suchten das ganze Tal ab. Als Giorgio am nächsten Abend immer noch nicht zurück war, schaukelten sich die Männer mit ihrem Zorn gegenseitig hoch. Kurz vor Mitternacht, am 13. November 1929, stürmten sie das Hotel International. Mit Mistgabeln und Ãxten bewaffnet, aber sie trafen keine Menschenseele. Das Hotel war leer. Es sah so aus, als ob Nagurski und
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