In der Hitze der Nacht
Besitzes. Er hatte es vor allem auf die Hunderttausend abgesehen, die ich von Grandma geerbt habe. Davon habe ich allerdings schon die Hälfte meiner Mutter gegeben.“
„Warum das denn?“
„Grandma würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie es wüsste. Aber meine Eltern waren kurz davor, aufgrund von Schulden ihr Haus zu verlieren.“ Sie zuckte die Achseln. „Die andere Hälfte habe ich in unser Geschäft gesteckt.“ Jessie wurde nervös. „Ich stand gerade kurz vor dem geschäftlichen Durchbruch, als Wade auf der Bildfläche erschien. Wenn ich jetzt einen Haufen Geld für den Anwalt ausgeben und meine Geschäftsanteile verkaufen muss, dann kann ich wieder in einem Schnellrestaurant anfangen.“
Sie lehnte sich zurück. „Es wäre ein riesiger Rückschlag, und ich müsste wieder ganz von vorne anfangen. Aber was soll’s? Ich habe ja schon einmal geschafft, mich wieder aufzurappeln.“
„Wenn dieser Fall eintritt, nutzt dir leider das Foto gar nichts, das in der Zeitschrift abgebildet war – das, auf dem ein Promi deine Handtasche trägt.“
„Genau. Samstag wollte ich Bewerbungsgespräche führen. Außerdem sind viele Anfragen wegen der Tasche eingetroffen. Ich darf also nichts unversucht lassen, damit Wade mir nicht mehr in die Quere kommen kann.“
Vielleicht war sie ja wirklich noch nicht geschieden. Ihr schauderte zwar bei dem Gedanken, aber irgendwie würde sie auch aus dieser Situation einen Ausweg finden, selbst wenn es sie alles kostete, was sie besaß. Sie hatte gelernt, dass man das Leben nehmen musste, wie es kam.
„Das ist ja wirklich übel“, platzte Rick heraus.
Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ja, es ist übel, aber ich schaffe das. Falls wir immer noch verheiratet sein sollten, ist das auch meiner Nachlässigkeit geschuldet. Doch ich werde aus meinem Fehler lernen.“
„Das hört sich an, als sei das alles kein Problem.“
Sie drehte sich zu ihm und bemerkte, dass in seinem Blick mehr als nur Mitgefühl lag. Plötzlich fiel ihr seine verstorbene Frau wieder ein.
„Es ist ein Problem“, gestand sie. „Aber das Leben lässt uns keine andere Wahl, oder?“
Sie blickten sich einen kurzen Moment intensiv in die Augen, und irgendwie schien sich danach etwas zwischen ihnen geändert zu haben, ohne dass Jessie hätte sagen können, was genau es war. Vielleicht bildete sie sich alles auch nur ein, denn sie konnte Rick noch immer nicht recht einschätzen.
„Was hast du jetzt eigentlich vor?“, fragte sie schließlich.
Er atmete schwer aus und schaute auf sein Handy. „Trotz Fahndung gibt es noch keine Spur von meinem Auto. Kevin prüft gerade, ob Wade tatsächlich mit dem Bus nach Texas zurückgefahren ist. Vielleicht hat er das Auto irgendwo stehen lassen.“
Sie war erleichtert. „War unsere Fahrt hierher also doch nicht vergeblich?“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Wie kommst du darauf, dass unsere Fahrt hierher vergeblich war? Immerhin habe ich doch den ehrenwerten Chief Stott kennengelernt.“ Etwas Schelmisches lag in seinem Blick. „Außerdem habe ich die Fahrt sehr genossen.“
Sie bekam rote Wangen, und ein wohliges Gefühl breitete sich in ihrem Körper aus. Ihr kam es so vor, als fielen ihnen beiden gleichzeitig die intimen Berührungen der letzten Tage wieder ein, und Jessie wünschte, ihre Affäre möge noch kein Ende haben.
Doch dann wurde sein Blick wieder kälter. Rick blinzelte in die Sonne, räusperte sich und sagte: „Ich habe vor, bald zurückzufahren. Was soll ich hier noch?“
Sie seufzte und richtete sich in ihrem Sitz auf. „Ich muss zu meinen Eltern.“
Rick legte den Gang ein und fuhr an. „Gut, dann zeig mir den Weg.“
Sie meinte, seinen Worten eine Doppeldeutigkeit entnehmen zu können, ging aber nicht weiter darauf ein. Stattdessen setzte sie ein breites Lächeln auf und führte ihn zu dem Ort, an dem sie sich vermutlich endgültig voneinander trennen würden.
16. KAPITEL
Rick war hin- und hergerissen. Dass sie nicht protestiert hatte, als er gesagt hatte, er wolle zurückfahren, hatte ihn fast härter getroffen als der Schlag von Wade. Er hatte sich vorgestellt, noch ein oder zwei weitere Nächte mit Jessie zu verbringen und sich erst danach von ihr zu trennen. Auf der anderen Seite war ihm völlig klar, dass ihre Affäre jetzt zu Ende war.
Offensichtlich sah Jessie das genauso. Sein Verstand wusste, dass diese Entscheidung richtig war, doch sein Herz sagte ihm etwas anderes.
„Hier musst du rechts abbiegen“, verkündete
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