In der Hitze der Nacht
Sable an dem Tisch gleich neben dem öffentlichen Telefon vor dem Café du Monde. Während sie wartete, schlürfte sie einen Café au Lait und sah einem Pantomimen zu, der so tat, als putze er ein unsichtbares Fenster. Perlenketten hingen wie merkwürdiger Christbaumschmuck von den Zweigen fast aller Bäume am Jackson Square herab. Ihr farbenfroher Glitter erinnerte sie an die letzte Nacht.
Jean-Delano. Sie umklammerte den Kaffeebecher mit ihren kalten Händen. Nicht zu wissen, was gerade mit ihm geschah, machte sie ganz krank.
»Immer schön weiter so« , rief ein Straßenkehrer dem Pantomimen im Vorbeigehen zu, während er mit einem spitzen Stock Servietten, Plastikbecher und anderen Unrat aufspießte, der von Mardi Gras übrig geblieben waren. »Es muss alles wieder schön sauber sein und blinken und blitzen .«
Sable ging wieder zum Telefon und versuchte nochmals, ihre Cousine anzurufen.
Dieses Mal ging Hilaire daran. »Wo bist du denn ?«
»Auf dem Weg zu dir. Irgendwelche Polizei bei dir im Laden? Hat J.D. angerufen ?«
»Nein. Diese Polizistin hat mich gestern angerufen, aber ich hab ihr nichts erzählt. Ist J.D. denn nicht bei dir ?«
»Wir mussten uns trennen. Hil, ich muss bei dir bleiben, bis er mich holen kann, okay ?«
»Keine Frage. Soll ich dich abholen ?«
»Nein, du musst dableiben, falls J.D. anruft. Ich nehme den Bus, es wird also etwas dauern .« Sie blickte an sich hinunter. »Und ich brauche unbedingt saubere Klamotten .«
»Ich kümmere mich darum. Sei bitte vorsichtig .«
Sable legte auf und warf ihren halb leeren Becher weg, dann blieb sie kurz stehen, um dem Pantomimen einen Dollar ins Körbchen zu legen. Als er sich tief vor ihr verbeugte, zeigte sie auf seine unsichtbare Wand. »Sie haben da einen Fleck übersehen .«
Mit einem Grinsen machte er sich mit seinem unsichtbaren Lappen wieder an die Arbeit.
Sie stieg in einen Bus, der hauptsächlich Touristengruppen zum Atchafalaya Basin hinausfuhr, und richtete sich für eine lange Fahrt ein. Das Brummen des Busmotors schläferte sie ein paarmal fast ein, doch sie zwang sich, wach zu bleiben. Als sie aus der Stadt hinausfuhren, schien sich ihr Herz zusammenzuziehen. Sie wollte J.D. nicht im Stich lassen, sie wollte sich nie wieder von ihm trennen.
Ich liebe dich , formte sie stumm mit den Lippen, als sie das Ortsschild hinter sich ließen. Komm schnell zurück zu mir, J.D.
Von der Bushaltestelle bis zu Hilaires Geschäft musste sie eine Viertelmeile zu Fuß zurücklegen, aber es tat gut, sich die Beine zu vertreten. Die Sonne stand schon hoch genug, um den Morgentau zu verjagen, und sie zog die Jacke des Lieferanten aus. Als sie dann das vertraute Schild mit der handgeschriebenen Aufschrift Martin’s Country Store sah, beschleunigte sie ihre Schritte.
Das Geschäft würde erst in einer Stunde aufmachen, aber das Licht war an und die Eingangstür aufgeschlossen. Sable trat ein und hoffte auf den Duft frisch gebrühten Kaffees. »Hilaire ?«
Zwanzig Männer standen überall im Laden herum. Alle blickten sie an, ohne zu lächeln. Sable machte einen Schritt zurück zur Tür, doch bevor sie loslaufen konnte, packte sie jemand von hinten. Sie schrie.
Caine Gantry wirbelte sie herum. »Wird auch Zeit, dass du heimkommst, Isabel .«
Elizabet begrüßte die Höflichkeit, mit der die Reporterin der Daily News Laure zu dem Mord an Marc befragte. Trotzdem hielt sie sich in der Nähe auf, jederzeit bereit, Laure zu Hilfe zu eilen oder die Reporterin zu tadeln, falls es nötig sein sollte.
»Mrs LeClare, unser Partnersender Kanal Sieben würde in den Mittagsnachrichten gern eine Stellungnahme von Ihnen bringen. Ihr Gatte war bei den Bürgern von New Orleans hoch angesehen, und ich weiß, dass sie es sehr schätzen würden, wenn Sie sich dazu äußern könnten. Wenn Sie möchten, können wir das jetzt gleich machen .« Die Reporterin deutete bei diesen Worten auf den Fotografen, der auch eine Videokamera dabeihatte.
»Ich habe mich noch nie besonders gut vor der Kamera gemacht « , sagte Laure langsam und blickte sich dann hilfesuchend zu Elizabet um.
Elizabet war hin und her gerissen – ihrer Freundin gefiel die Vorstellung offensichtlich nicht, und unter anderen Umständen hätte sie es auch nicht erlaubt. Trotzdem wollte sie unbedingt, dass sie im Fernsehen sprach, um Sable Duchesne und ihre lächerlichen Behauptungen zu verurteilen.
Die Reporterin folgte Laures Blick. »Vielleicht würde Mrs Gamble gern mit Ihnen zusammen eine
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