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In der Hitze der Nacht

In der Hitze der Nacht

Titel: In der Hitze der Nacht
Autoren: Ruth Gogoll
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geworden?«
    »Ich weiß auch nicht«, erwiderte Tina, während sie beobachtete, wie Susanne und ihre Mutter hinter der Glasscheibe lachten.
    Tinas Mutter hatte es tatsächlich geschafft, daß Susanne Ewers lachte. Kein Mensch hatte sie je vorher lachen sehen. Kein Mensch in diesem Büro jedenfalls.
    Als ihre Mutter darauf bestanden hatte, mit Tina ins Büro zu kommen, um ihrer Chefin klarzumachen, daß Tina Zeit für ihre Mutter brauchte, hatte Tina ein Gewitter erwartet.
    Sie wußte, daß Susanne es nicht mehr wagen würde, ihr gegenüber eine Abmahnung auszusprechen. Aber es gab ja auch andere Mittel und Wege.
    Doch alles war anders gekommen als erwartet. Dagmar hatte Susanne mit ihrem Charme einfach über den Haufen gerannt. In der Tat hatte Tina auf diese Art zum ersten Mal festgestellt, daß ihre Mutter überhaupt Charme besaß. Susannes Reaktion hatte es ihr gezeigt.
    Das war schon ein paar Tage her, und kein Tag verging, an dem Dagmar nicht ins Büro kam.
    Tina schüttelte leicht den Kopf. Ihre Mutter und Susanne waren wie Feuer und Wasser, zwei völlig entgegengesetzte Pole. Susanne, die Brave, die Ordentliche, die Arbeitsame. Und Dagmar Bauer, die noch nie in ihrem Leben einen Tag gearbeitet hatte, wenn es sich vermeiden ließ, die immer genau das Gegenteil von dem tat, was man von ihr erwartete, die auf ihrem Lebensweg jede Abzweigung genommen hatte, die es nur gab, die nie geradeaus gegangen war, von brav und ordentlich ganz zu schweigen.
    Und trotzdem verstanden sich die beiden. Anscheinend sogar sehr gut.
    Jetzt kamen sie aus Susannes Glaskasten heraus und zu Tina herüber. Tina duckte sich fast. Die geballte Kraft zweier Frauen in mittleren Jahren konnte einen schon erschlagen.
    »Wir wollen essen gehen«, sagte Dagmar.
    »Schön.« Tina atmete innerlich erleichtert auf. »Dann wünsche ich euch viel Spaß.«
    »Susanne will, daß du mitgehst«, fuhr ihre Mutter fort, ihre Mundwinkel verzogen sich schmunzelnd, »damit sie es als Spesen absetzen kann. Geschäftsessen, du verstehst.«
    Eigentlich nicht, dachte Tina. Susanne Ewers mauschelte mit den Spesen? Die Welt hob sich aus den Angeln.
    »Es war Dagmars Idee«, sagte Susanne schnell, fast entschuldigend zu Tina.
    Das hätte ich mir gleich denken können. Tina konnte es immer noch nicht fassen. »Ach?« sagte sie. Und was war aus Sumi geworden? Die schien seit einigen Tagen verschwunden zu sein.
    »Und sie hat recht«, ergänzte Susanne Ewers etwas trotzig. »Das ist in der Spesenordnung so vorgesehen. Essen mit den Mitarbeitern. Zweimal im Jahr.«
    »Mit allen Mitarbeitern«, sagte Tina.
    »Man kann das auch aufteilen.« Susanne wirkte sehr bestimmt. »Wenn du nicht mitkommst, kann ich es natürlich nicht absetzen.«
    Das ist Erpressung, dachte Tina. Wenn es auf die eine Art nicht klappt, dann eben auf die andere. Aber was sollte sie allein gegen diese beiden Heroinen ausrichten? Sie überrollten sie einfach. »Na gut«, sagte sie seufzend. »Ich gehe mit. Irgendwann muß ich ja auch etwas essen.«
    »Richtig«, sagte Dagmar. »Du bist viel zu dünn. Sie war schon immer so ein Spinsel«, wandte sie sich an Susanne. »Wollte nie richtig essen.«
    Tina wäre fast rot geworden. »Mama . . .«, sagte sie, weil sie wußte, daß Dagmar diese Bezeichnung immer wieder ärgerte. »Muß das sein?«
    »Ich finde sie gar nicht so spinselig«, sagte Susanne, ließ kurz ihren Blick über Tina streifen und blieb an ihren Brüsten hängen.
    »Wenn ihr nicht gleich aufhört, gehe ich nicht mit«, drohte Tina. Langsam wurde es ihr wirklich zuviel.
    »Wir sind ganz brav.« Dagmar lachte. »Nachdem ich die Geschichte mit dem Geschäftsessen vorgeschlagen habe, wollen wir sie doch nicht gleich wieder kaputtmachen.«
    Und dir ein kostenloses Essen durch die Lappen gehen lassen. Im Schnorren war ihre Mutter schon immer erste Sahne gewesen. »Gut«, sagte Tina, »aber ich bleibe nur eine halbe Stunde.« Sie warf einen Blick auf Susanne. »Weil meine Chefin da nämlich äußerst streng ist.«
    Susanne verzog leicht das Gesicht, sagte aber nichts.
    »Gehen wir«, sagte Dagmar. »Mir knurrt der Magen.«
    Im Restaurant saß Tina am Tisch und dachte, sie befände sich in einer Theatervorstellung. Sie war nur Zuschauerin. Dagmar und Susanne spielten sich die Bälle zu, als wäre es ein geprobter Dialog. Und sie hatten viel Spaß dabei.
    Tina wunderte sich. So hatte sie Susanne noch nie erlebt. Sie wirkte wie ausgewechselt. Entspannt. Und Jahre jünger. Dagmar tat ihr richtig
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