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In der Hitze der Nacht

In der Hitze der Nacht

Titel: In der Hitze der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Gogoll
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Mar hob fragend die Augenbrauen.
    »Ja.« Tina gab ein hohles Geräusch von sich. »Ja, allerdings.«
    »Bitte.« Mar lehnte sich in ihren Schreibtischsessel zurück und machte eine auffordernde Geste. »Ich höre. Was ist dein Problem?«
    »Ich bin fristlos gekündigt worden«, sagte Tina. »Wegen Diebstahls, Betrugs und Veruntreuung von Firmeneigentum. Die Strafanzeige habe ich auch schon.«
    »Was?« Mar beugte sich erstaunt vor.
    »Ja.« Tina nickte. »Wie du siehst, brauche ich tatsächlich juristischen Beistand, und ich kenne niemand außer dir, aber wenn du keine Zeit hast –« Sie schaute endlich vom Boden zu Mar. »Wahrscheinlich keine gute Idee. Ich gehe besser wieder.« Sie stand auf.
    »Aber nein.« Mar hatte sich von ihrer Überraschung erholt. »Bitte, bleib sitzen.« In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Frau Ritter kam mit einem Tablett herein. »Siehst du, der Kaffee kommt auch schon.« Mar lächelte Tina zu, stand auf und versuchte etwas Platz auf ihrem Schreibtisch freizuräumen, damit Frau Ritter das Tablett abstellen konnte. »Danke, Frau Ritter, ich mache das schon selbst«, fuhr sie fort, und Frau Ritter verließ den Raum wieder.
    »Ich weiß nicht«, sagte Tina.
    »Trink erst mal einen Kaffee.« Mar reichte ihr die Tasse. »Das beruhigt die Nerven.« Sie lachte. »Meine auch, ehrlich gesagt, denn ich kann mir nicht vorstellen, wie du zu einer solchen Anschuldigung gekommen bist.« Sie nahm die zweite Tasse und trank, dann setzte sie sich wieder. »Kannst du mir Genaueres dazu sagen?«
    »Ich war’s nicht«, sagte Tina.
    »Davon gehe ich aus.« Mar lachte. »Das brauchst du mir nicht extra zu versichern.«
    »Woher willst du das wissen?« fragte Tina etwas bitter. »Du kennst mich überhaupt nicht.«
    Mars Mundwinkel zuckten. »Das stimmt wohl. Wir kennen uns nicht wirklich, aber –«, sie ließ ihren Blick über Tinas unglückliche Gestalt schweifen, die wieder auf dem Stuhl zusammengesunken war, »ein bißchen Berufserfahrung habe ich auch. Diebe und Betrüger sehen anders aus als du.«
    Tina atmete tief durch. »Danke«, sagte sie. Sie schien in der Tat erleichtert.
    »Nichts zu danken.« Mar musterte sie erneut. »Nun erzähl doch mal. Was ist los?«
    »Ich –« Tina richtete sich leicht auf, als hätte sie jetzt wieder die Kraft dazu. »Aber vielleicht sollte ich am Anfang anfangen. Du fragtest mich vorhin, ob meine Mutter wieder abgereist ist. Ja, ist sie. Und sie hat meine Chefin mitgenommen.«
    Mar prustete überrascht in ihre Kaffeetasse, weil sie gerade einen Schluck hatte trinken wollen. »Bitte?«
    Trotz der ernsten Situation, in der sie sich befand, schien auch Tina der Gedanke daran zu amüsieren. Sie begann leicht zu lächeln. »So ungefähr habe ich auch reagiert«, nickte sie, »als die beiden es mir sagten.«
    »Deine Mutter und deine Chefin sind . . .?« Mar machte eine schaukelnde Bewegung mit der Hand.
    »Nein.« Tina schüttelte den Kopf. »Meine Mutter auf jeden Fall nicht. Sie hat ja wirklich fast alles Abweichende ausprobiert in ihrem Leben, aber in diesem Punkt entspricht sie, vermutlich zu ihrem großen Leidwesen, tatsächlich der Norm.«
    Mar lachte. »Deine Mutter mag anstrengend sein, aber ich hätte sie gern kennengelernt. Klingt interessant.«
    »Ja«, sagte Tina. »Die meisten Leute finden das.« Sie verzog das Gesicht.
    »Für dich als Tochter ist das natürlich etwas anderes«, stellte Mar mitfühlend fest. »War sie schon so, als du ein Kind warst?«
    »O ja.« Tina nickte heftig. »Ich bin in WGs aufgewachsen, von denen du dir keine Vorstellung machen kannst.«
    »Du Arme.« Mar hätte Tina am liebsten tröstend gestreichelt, aber das stand natürlich nicht zur Debatte. Sie war jetzt eine Mandantin. »Und deine Chefin?« fragte sie statt dessen. »Wie kam das?«
    Tina lachte leicht. »Sie hatte sich zuerst in mich verliebt, aber meine Mutter und ich sehen uns ziemlich ähnlich.«
    »Dann muß deine Mutter eine sehr schöne Frau sein«, bemerkte Mar.
    »Mar, bitte . . .« Tina schaute sie an und hob die Augenbrauen.
    Mar lächelte. »Tatsachen bleiben immer noch Tatsachen«, sagte sie. »Davon verstehe ich etwas als Juristin. Das mußt du mir schon zugestehen.«
    »Dann sollte ich wohl doch zu jemand anderem gehen«, sagte Tina, »für den diese . . .«, sie stand auf und stellte ihre Kaffeetasse auf das Tablett zurück, »Tatsachen nicht so wichtig sind.«
    »Entschuldige.« Mar stellte ihre Tasse ebenfalls zurück und hob die Hände.

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