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In der Hitze der Nacht

In der Hitze der Nacht

Titel: In der Hitze der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Gogoll
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Gewinnen überhaupt leisten kann. Die Arbeitgeber werden sich ins Fäustchen lachen.«
    Mar verzog das Gesicht. »Ja, gerecht ist das nicht. Aber Gerechtigkeit ist auch nicht das, was man vor Gericht erwarten kann.«
    »Nicht?« Tina blickte sie erstaunt an. »Was dann?«
    »Ein Urteil«, sagte Mar.
    »Na ja, zur Not kann ich es ja von meinem Erbe bezahlen«, murmelte Tina vor sich hin.
    Eigentlich war das gar nicht für Mars Ohren bestimmt gewesen, aber sie hatte es trotzdem verstanden. »Erbe?« fragte sie nach. »Du hast etwas geerbt? Wieviel?«
    Tina hob die Schultern. »Keine Ahnung. Ich habe mich noch nicht darum gekümmert.«
    »Hast du den Eindruck, es ist so wenig, daß es sich nicht lohnt?« Mar runzelte die Stirn.
    Tina schüttelte den Kopf. »Meine Mutter meinte, es müßte eine ganze Menge sein, was auch immer sie darunter versteht. Aber es hörte sich so an, als ob es wohl lohnend wäre.«
    Mar hob die Augenbrauen. »Das wäre doch sicherlich eine große Hilfe in deiner jetzigen Situation.«
    »Ja, könnte sein.« Tina zuckte uninteressiert die Schultern.
    »Tina . . .« Mar stand auf und kam auf die andere Seite des Schreibtischs, wo Tina saß. »Ich weiß, es ist schwierig. Du denkst im Moment, es hat keinen Sinn. Aber gib nicht auf.« Sie kniete sich auf einem Bein vor Tinas Stuhl. »Es wird alles wieder gut, glaub mir. Ich werde dafür sorgen, das verspreche ich.«
    Tina blickte auf sie hinunter – Mars Kopf war so kniend ungefähr auf Höhe ihrer Schulter – und schien nicht ein einziges Wort verstanden zu haben. Ihr Gesichtsausdruck wirkte wie der eines Kindes, dem ein Erwachsener etwas zu erklären versucht, was es nicht begreifen kann.
    Plötzlich warf sie die Hände vors Gesicht und bedeckte es vollständig. Eine Minute war es unheimlich still, weil Mar überrascht von Tinas Reaktion völlig unbeweglich blieb, dann auf einmal hörte man ein leises Schluchzen hinter den Händen hervordringen.
    Mar fuhr ein heftiger Schrecken durch die Glieder. So eine Reaktion hatte sie nicht hervorrufen wollen. »Nicht«, flüsterte sie hilflos. »Nicht weinen.«
    Zögernd hob Mar die Hand und legte sie ganz sanft auf Tinas Handrücken.
    Tina zuckte so heftig zusammen, als hätte Mar sie geschlagen. »Ich kann nicht mehr«, flüsterte sie fast unhörbar. »Ich kann einfach nicht mehr.«
    »Tina . . .«, wiederholte Mar sanft, faßte genauso sanft an Tinas Handgelenke und zog sie vorsichtig und langsam von Tinas Gesicht herunter. »Wir schaffen das. Wirklich. Du brauchst keine Angst zu haben.«
    Tina starrte sie aus rotgeränderten Augen über feucht glänzenden Wangen an. »Meine Mutter hatte recht.« Sie versuchte unter Tränen zu lächeln. »Im Dschungel gab es solche Probleme nicht. Ich hätte dort bleiben sollen.«
    Dann hätte ich dich nie kennengelernt, dachte Mar. Und das hätte ich sehr bedauert. »Aber, aber . . .« Sie lächelte ermutigend. »So schlimm ist es auch wieder nicht.«
    »Du ahnst ja nicht –« Tina brach ab. Auf einmal schien sie fast vom Stuhl zu sinken.
    Mar richtete sich – in Gedanken an Tinas Ohnmacht bei ihrer letzten Besprechung – sofort auf und hielt sie fest.
    Tina war so weich, so ohne jeden Halt, daß sie ohne spürbaren Widerstand an Mars Brust sank und erneut zu weinen begann.
    Gerlinde hatte tatsächlich recht. Mar hätte fast gelächelt bei diesem Gedanken. Sie liegt an meiner Brust, sie heult sich aus, und wahrscheinlich ist das hier gerade ein Nervenzusammenbruch. Sie hielt Tina ganz fest und ließ sie weinen.
    Nach ein paar Minuten erst beruhigten sich die ruckartigen Schluchzer, und Tina versuchte sich von Mar zu lösen. »Entschuldige.« Sie legte ihre Hände gegen Mars Schultern und richtete sich auf. »Entschuldige bitte.« Sie stand auf, schwankte leicht, stand aber dann gerade da und wollte offensichtlich gehen.
    »Wo willst du hin?« Mar erhob sich aus der Hocke.
    »Weg.« Tina drehte sich zur Tür. »Du mußt mich für die größte Heulsuse aller Zeiten halten. Letztes Mal falle ich einfach vom Stuhl, und heute –«
    »Wir gehen irgendwohin einen Kaffee trinken«, erwiderte Mar schnell. »Das könnten wir zwar auch hier tun, aber ich glaube, du brauchst frische Luft.« Sie berührte vorsichtig Tinas Arm. »Und ich halte dich für keine Heulsuse, ganz bestimmt nicht«, fügte sie leise hinzu. »Du hast viel durchgemacht.«
    Tina atmete tief durch. Mars Gegenwart tat ihr gut, und auch wenn sie sich für ihre Tränen schämte, fühlte sie

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