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In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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merkwürdige Mann endlich Ruhe gab, steckte es sich sogleich in den Mund. »Wirklich sehr gut«, sagte er schnell mit halbvollem Mund.
    Regazzoni wollte die leckere Schleckerei aus Blätterteig mit Vanillecrème und Zuckerguss immer noch nicht weglegen, schob sie erneut zu Erin Azoglu hin.
    Der Türke sagte: »Ich kann nicht essen Crème.« Er erklärte: »Vielleicht in Crème es gibt Gelatine. Das von Schwein. Ich nicht essen können.«
    »Ah, verstehe.« Regazzoni nickte verständnisvoll und goss sich Milch in seinen Kaffee.
    Der Vater von Mina wollte zur Sache kommen. »Warum Sie mich haben kommen lassen?«
    Regazzoni stellte seine Tasse neben sich hin. »Nun, Herr Azoglu, es gibt da noch ein paar Fragen an Sie.«
    »Was für Fragen?«
    »Ich sage es Ihnen gleich. Nur einen Moment.« Er griff zum Hörer, stellte eine interne Nummer ein.
    Als die Verbindung stand, hörte Azoglu den Mediziner sagen: »Ich bin so weit.«
    Dann, nach einer Pause. »Der Test war positiv. Es ist, wie wir vermutet haben.« Regazzoni legte auf, lächelte Erin Azoglu milde an.
    Der Türke sagte nichts.
    Eine halbe Minute später klopfte es, und auf Regazzonis »Ja, bitte!« trat Kommissar Baumer ein.
    Der Gerichtsmediziner erhob sich, machte eine einladende Bewegung in Richtung des Kommissars. »Meine Herren, darf ich Ihnen Herrn Baumer vorstellen? Herr Andreas Baumer ist Kriminalkommissar bei der Kantonspolizei Basel-Stadt.«
    Der Vorgestellte wandte sich an den Vater von Mina. »Herr Azoglu, wir müssen Sie bitten, die Leiche Ihrer Tochter zu identifizieren.«
    Azoglu atmete flach ein, hielt die Luft an, atmete dann gepresst aus.
    »Das wird sicherlich schwer für sie sein«, erklärte Regazzoni, »aber es ist leider notwendig.«
    Mustafa Azoglu sagte etwas auf Türkisch zu seinem Bruder, aber der schüttelte sogleich vehement den Kopf. In seinem gebrochenen Deutsch wandte er sich an die beiden Schweizer: »Mein Bruder hat angeboten zu sehen, aber ich nicht will.«
    Der Professor hatte zuvor schon bemerkt, dass Mustafa Azoglu nicht wohl war, seine ermordete Nichte identifizieren zu müssen. »Es ist nicht nötig«, wandte sich Regazzoni daher an den Geschäftsmann, »dass auch Sie noch durch den Anblick belastet werden.«
    »Ich kann helfen, wenn es notwendig ist.«
    »Nein, es ist wirklich besser. Lassen Sie nur.«
    Man sah jetzt doch, dass Mustafa Azoglu ein Stein vom Herzen fiel, dass dieser Kelch an ihm vorübergegangen war.
    Der Vater von Mina sagte gefasst: »Gehen wir.«
    So stiegen sie zusammen zwei Stockwerke ins Parterre, wo der Eingangsbereich war. Erin Azoglu drängte seinen Bruder, seinen Geschäften nachzugehen. Er brauche nicht zu warten. Alles sei in Ordnung.
    Mustafa Azoglu wehrte sich nicht. Er gab Regazzoni und Baumer höflich die Hand und ging zurück zu seinem Mercedes.
    Sodann stiegen die andern noch zwei Stockwerke weiter in die Katakomben des Institutes hinunter. Im Untergeschoss mit den Kühlschränken war die Raumtemperatur so tief wie in einer amerikanischen Shopping Mall. Baumer und Erin Azoglu in ihrer Sommerkleidung begannen sogleich zu frösteln. Regazzoni hingegen war die Kühle gewohnt.
    Vor dem Schiebekasten Nummer 13 blieben sie stehen. Regazzoni kontrollierte nochmals das Schild. Ja, hier waren sie richtig.
    Als er den länglichen flachen Kasten auf seinen Rollen herauszog, musterte er den Türken aus den Augenwinkeln heraus. Baumer blickte Azoglu ebenfalls an, als die Leiche auf dem metallischen Bett sirrend herausrollte.
    Vor ihnen lag Mina.
    Sie war hübsch. Ein wenig starr vielleicht, aber erstaunlich natürlich. Ihre Gesichtszüge waren entspannt, die Augen ganz geschlossen. Sie sah nicht aus, als ob sie schliefe, eher, als würde sie so tun, als ob sie schliefe. Irgendwie glich sie dem Schneewittchen in einer Kindergartenaufführung. Man hätte meinen können, das Mädchen lebte noch.
    Aber unter dem weißen Laken lagen die kleinen Brüstchen regungslos. Jeglicher Atem war aus dem Oberkörper entwichen. Ihre ganze Figur war unnatürlich hart, erinnerte an eine umgekippte Statue ohne Willen. Wie reagierte Azoglu auf diesen Anblick?

    Er reagierte nicht.

    Azoglu stand an diesem Kasten wie ein Unbeteiligter. Als der Behälter hervorgezogen worden war, hatte er sich überhaupt nicht bewegt. Selbst der Anblick seines Kindes entlockte ihm keine erkennbaren Emotionen. Er zeigte keine große Regung – ja, er zeigte überhaupt keine Regung. Er stand einfach unbeteiligt und emotionslos da, wie ein

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