In der Mitte des Lebens
ließ sich nicht mehr »wegheiraten«. Vom 1. März 1964 an gab es trotz vieler Proteste aus derPfarrerschaft die Pastorin nach hannoverschem Zuschnitt. Noch einmal 35 Jahre später wurde eine Frau zur Bischöfin gewählt …
Eine solche Entwicklung erscheint vielen Frauen in den Ländern des Südens dieser Welt oder auch in muslimisch geprägten Ländern unvorstellbar. Der evangelische Gedanke der Freiheit hat sich gerade auch für Frauen als wegweisend erwiesen. Als im Jahr 2004 Zara K., eine junge Iranerin, die zum Christentum konvertiert war, in den Iran abgeschoben werden sollte, haben sich viele Flüchtlingsorganisationen und Hilfsgruppen dagegen gestellt. Sie war nach Deutschland zwangsverheiratet worden, hatte ihren sie schlagenden Ehemann verlassen, der flog mit dem gemeinsamen Kind in den Iran. Es gab Befürchtungen, dass Zara K. bei einer Rückkehr in den Iran etwas zustoßen würde. Vom niedersächsischen Innenministerium wurde angezweifelt, dass sie ernsthaft zum Christentum konvertiert sei. Am Ende rettete sie der Pilot der Lufthansamaschine, der sich von den ihm eilig zugefaxten Unterlagen überzeugen ließ und sich weigerte, sie mitzunehmen. Daraufhin musste der niedersächsische Innenminister unter dem öffentlichen Druck die Vertreterinnen und Vertreter von Parteien, Kirchen und Flüchtlingsorganisationen zusammenrufen, um eine Lösung zu finden. Zara K. lebt heute in Göttingen. Ihr und ihrem »Fall« ist es zu verdanken, dass es überhaupt eine Härtefallkommission in Niedersachsen gibt, die allerdings immer noch unter äußerst restriktiven Bedingungen arbeitet.
Ich erzähle dies, denn als klar war: Zara K. darf bleiben, habe ich großes Glück empfunden. Anderes Glück als bei der Geburt meiner Töchter oder deren Abiturfeiern. Ein Glück, das gespeist war von der Wahrnehmung: Du kannst etwas bewirken! Wir können die Welt verbessern. Das wird viel belächelt, auch das habe ich oft erlebt. Aber ich habe begriffen, dass Glück zweierlei bedeutet: tiefen inneren Frieden, wenn ich die Schönheit der Natur sehe, die wunderbaren Rosen, die unglaublich schönen Lilien. Und dann das Gefühl, die Erfahrung, etwas bewirken zu können durch den Besuch bei dem alten Mann in derNachbarschaft, das Engagement für die Frau ohne Aufenthaltspapiere, das Lächeln, das ich bei der Verkäuferin auslöse. Glück ist eine Beziehungsfrage. Von mir zur Schöpfung, zu den Dingen, zum Leben, vor allem aber auch zu anderen Menschen.
In ihrem wunderbaren Roman »Ach Glück«, beschreibt Monika Maron eine Frau in der Mitte des Lebens, die am Ende einfach aufbricht. Eine Freundin hatte mir das Buch mitgegeben, als ich bei ihr in Berlin übernachtete, ich gab es wieder einer Freundin, die es meiner Tochter gab. Wir alle mochten dieses Buch, weil es nicht überheblich daherkommt, sondern Glück mit einem Augenzwinkern sieht und mit dem Mut, etwas Neues zu wagen mitten im Leben. Und weil mir das so gefiel, habe ich bei einer Sendung des ZDF-Morgenmagazins das Buch empfohlen, als ich um einen »Kulturtipp« gebeten wurde. Einige Zeit später meldete sich Monika Maron bei mir, und wir verabredeten uns zum Kaffee in den Hackeschen Höfen in Berlin – samt ihrem alten Hund, der mir sehr sympathisch war, der in dem Buch auch vorkommt und mich an meinen erinnert, Ole, der inzwischen sehr alt ist, aber eben auch ein treuer Begleiter durch die Jahre.
Das war ein wunderbares Gespräch über Gott und die Welt. Ich habe Glück dabei empfunden. Und ein Augenzwinkern, weil ich diese schriftstellerische Idee der Landung in Chile mit dem Erkennungszeichen: großer roter Hut (auf dem Kopf einer älteren Dame) wunderbar finde. Und einstimmen kann in diesen Seufzer: »Ach, Glück«. Das heißt vielleicht sogar ein bisschen sarkastisch: »Ach Glück, du überschätztes Gefühl.« Oder ganz hoffnungs- und sehnsuchtsvoll: »Ach, Glück, könnte ich dich noch mal so empfinden wie damals …« Oder traurig über einen Verlust, in wehmütiger Erinnerung: »Ach, Glück …«. Glück bleibt ja ein Ort der Sehnsucht. Ach, Glück vielleicht eben auch, weil ich mir sehr bewusst bin, dass nur fünfzehn Prozent der Weltbevölkerung in einer solch privilegierten Situation leben können wie ich, in der Nahrung, Obdach, Gesundheitsversorgung, Bildung Normalität sind. Unverdientes Glück, Gnade der Geburt zur richtigen Zeitam richtigen Ort. Solches Glück bringt auch Verantwortung mit sich, denke ich.
Wenn Jesus in der Bergpredigt auf die Lilien auf dem
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