In der Oase des Scheichs
Wort auf die Goldwaage.“
„Ich habe ihn trotzdem verstanden. Aber er hätte es zu Zahara sagen sollen, nicht zu mir. Ich weiß inzwischen, dass Liebe und Ehe nichts für mich sind. Sie halten mich jetzt sicher für einen Heuchler, stimmt’s?“ Er blickte sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Weil ich nie daran geglaubt habe und trotzdem bereit war, das Ganze durchzuziehen.“
„Was ich denke, ist unerheblich. Ich bin mit Ihren Sitten und Gebräuchen nicht vertraut, aber ich weiß, dass Sie sich Ihrer Familie gegenüber verpflichtet fühlten.“
„Dann sollen Sie auch wissen, dass ich froh darüber bin, wie es gekommen ist.“
In diesem Augenblick fuhr der Wagen vor, und ihr blieb eine Antwort erspart.
Nachdem sie eingestiegen waren, sprach Sam weiter. „Sie brauchen nichts zu sagen. Ich kenne Ihre Meinung.“
Überrascht sah Claudia ihn an.
„Liebe ist das Höchste. Liebe versetzt Berge, habe ich recht?“ „So in etwa, ja.“ „Und das sagen Sie, nachdem Ihre eigene Ehe gescheitert ist?“
„Darüber möchte ich lieber nicht reden. Meine Situation war mit Ihrer nicht vergleichbar.“ Sie wandte sich ab und sah aus dem Fenster.
Es entstand ein längeres Schweigen, während der Chauffeur sie durch ruhige Seitenstraßen zurück zum Al-Hamri-Hochhaus fuhr. Als Sam wieder das Wort ergriff, sprach er von etwas anderem. „Morgen wollen Sie also mit Ahmad segeln gehen?“
Claudia holte tief Luft und versuchte, möglichst beiläufig zu antworten. „Ich denke, es wäre unhöflich, abzulehnen, es sei denn, Sie hätten Arbeit für mich.“
„Ich treffe mich morgen früh mit meinem Vater. Wir haben Verschiedenes zu besprechen, aber Ihre Anwesenheit ist dabei nicht nötig. Hoffentlich hat er sich bis dahin etwas beruhigt und ist in der Lage, etwas anderes als seine Enttäuschung über mich zu äußern. Wenn das Verlobungsthema erst einmal vom Tisch ist, können wir wieder zur
Tagesordnung übergehen.“
„Ihr Vater war sehr aufgebracht.“
„Unsere Tradition und die Vorstellung von Familienehre, das alles muss für Sie als Fremde schwer nachzuvollziehen sein.“
„Ja. Ich meine, ich weiß nicht so genau“, sagte sie müde und verwirrt.
„Ich denke, Sie sollten die Chance nutzen und morgen segeln gehen.“
Auch wenn seine Worte sie ermuntern sollten, erkannte sie doch an seinem Gesichtsausdruck, dass es ihm nicht gefiel, sie mit Ahmad unterwegs zu wissen. Was wollte er eigentlich? Seit sie sich in diesem Land aufhielten, war er nicht mehr der Sam, den sie kannte. Früher hatte sie stets gewusst, woran sie mit ihm war. Jetzt verwirrte er sie.
Die kühle Luft in der klimatisierten Limousine tat ihr gut. Sie wollte nicht mehr reden, nicht mehr lächeln müssen. Sie hatte nur noch einen Wunsch – die Augen zu schließen und die Probleme der Al-Hamris zu vergessen.
Sam saß so dicht neben ihr auf dem Rücksitz, dass er sie mit dem Bein streifte. Ein Schauer überlief sie.
„Versuchen Sie doch einfach, Ihren Aufenthalt hier zu genießen. Sie werden vielleicht nie mehr die Möglichkeit dazu haben.“
Sie wusste, was er damit sagen wollte. Diese Reise war ein Fehlschlag, und er würde wahrscheinlich so schnell nicht mehr hierher zurückkommen. Und wenn, dann ganz sicher ohne sie.
„Segeln Sie denn nicht?“, erkundigte sie sich nach kurzem Schweigen.
„Früher war ich oft draußen auf dem Meer, zusammen mit meinem Cousin. Wir haben auch Tennis und Golf gespielt. Auch später in San Francisco hatte ich ein eigenes Boot. Aber irgendwann reichte die Zeit nicht mehr fürs Segeln.“
Davon hatte er ihr bisher nie etwas erzählt. Wahrscheinlich gab es noch vieles, was sie von ihm nicht wusste. „Ihr Cousin findet, dass Sie zu viel arbeiten.“ In den zwei Jahren, seit sie für Sam arbeitete, hatte sie ihn nie auch nur mit einem Wort kritisiert. Sie hoffte, dass er Ahmads Worte jetzt nicht als ihre persönliche Kritik auffasste.
„Und ich finde, dass er zu wenig arbeitet. Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung.“
„Vielleicht liegt das rechte Maß ja irgendwo in der Mitte.“ Sie war plötzlich so müde, dass sie den Kopf gegen die lederne Nackenstütze lehnte und die Augen schloss.
Als sie beim Al-Hamri-Gebäude ankamen, stieg Sam zuerst aus und half ihr mit warmer Hand und festem Griff aus dem Wagen. Die Haare fielen ihm in die Stirn, und er sah so jungenhaft und verwegen aus, dass ihr Herz schneller zu schlagen begann. Da sie sich in den hochhackigen Schuhen etwas unsicher
Weitere Kostenlose Bücher