In der Schwebe
eine schützende Hülle aus neoprengefüttertem Ortho-Fabric, und darunter trug der Astronaut wassergekühlte Unterwäsche. Er musste ein Lebenserhaltungssystem auf dem Rücken mit sich führen, das Wasser, Sauerstoff und ein Funkgerät enthielt, dazu Steuerdüsen, mit denen er im Notfall schnell die Einstiegsluke erreichen konnte. Im Grunde war der Raumanzug ein Ein-Mann-Raumschiff; er war sperrig und erschwerte jede Bewegung, sodass selbst das Festdrehen einer Schraube Kraft und Konzentration erforderte.
Die Arbeit hatte Nikolai erschöpft. Seine Hände verkrampften sich in den klobigen Handschuhen, und er schwitzte.
Hungrig war er auch.
Er nahm einen Schluck Wasser aus dem eingebauten Röhrchen und stieß einen tiefen Seufzer aus. Obwohl das Wasser merkwürdig schmeckte, fast fischig, dachte er sich nichts dabei. In der Schwerelosigkeit schmeckte alles merkwürdig. Er nahm noch einen Schluck und spürte, wie etwas von dem Wasser auf sein Kinn tropfte. Da er nicht unter den Helm greifen konnte, um es wegzuwischen, ignorierte er es und blickte zur Erde hinunter. Sie so plötzlich in all ihrer atemberaubenden Pracht unter sich zu sehen, machte ihn schwindlig, und er empfand einen Anflug von Übelkeit. Er schloss die Augen und wartete, dass das Gefühl wieder verschwand. Es war nichts weiter als ein Anfall von Bewegungskrankheit; das kam häufig vor, wenn man unerwartet die Erde erblickte. Während sein Magen sich wieder beruhigte, wurde er auf etwas anderes aufmerksam: Das verschüttete Wasser rann seine Wange hoch. Er verzog das Gesicht, um den Tropfen abzuschütteln, doch er glitt weiter über seine Haut.
Aber ich bin im schwerelosen Raum, wo es kein Oben und Unten gibt. Das Wasser durfte überhaupt nicht fließen.
Er schüttelte den Kopf und klopfte mit dem Handschuh auf den Helm.
Immer noch spürte er, wie der Tropfen über sein Gesicht wanderte und eine feuchte Spur hinterließ. Er bewegte sich auf sein Ohr zu. Jetzt war er schon am Rand der Kappe angelangt, die seine Sprechkombination sicherte. Bestimmt würde der Stoff die Feuchtigkeit aufsaugen und verhindern, dass der Tropfen weiterrann …
Plötzlich erstarrte er. Das feuchte Etwas war unter die Kappe geschlüpft und kroch weiter auf sein Ohr zu. Das war kein Wassertropfen, der zufällig über sein Gesicht rann, sondern etwas, was sich gezielt bewegte.
Etwas Lebendiges.
Er warf in dem vergeblichen Versuch, das Etwas abzuschütteln, den Kopf heftig nach links und rechts. Er schlug fest gegen seinen Helm. Und immer noch spürte er, wie es sich bewegte, wie es unter seinen Kopfhörer glitt.
In Schwindel erregendem Wechsel flogen die Erde, der schwarze Raum und wieder die Erde vor seinen Augen vorbei, während er in einem verzweifelten Veitstanz wild um sich schlug.
Das feuchte Etwas schlüpfte in sein Ohr.
»Nikolai? Nikolai, antworten Sie bitte!«, rief Emma, die ihn auf dem Monitor beobachtete. Er drehte sich unentwegt um die eigene Achse und hämmerte wie wild gegen seinen Helm. »Luther, es sieht aus, als hätte er einen Anfall.«
Auf dem Bildschirm war zu sehen, wie Luther seinem Partner zu Hilfe eilte. Nikolai hörte nicht auf, um sich zu schlagen und den Kopf hin und her zu schütteln. Über Funk konnte Emma Luthers erregte Stimme hören: »Was ist los? Was ist los?«
»Mein Ohr … es ist in meinem Ohr …«
»Tut es weh? Hast du Schmerzen im Ohr? Sieh mich
an!
« Nikolai schlug wieder mit der flachen Hand gegen seinen Helm. »Es kriecht tiefer rein!«, schrie er. »Hol es raus! Hol es raus!«
»Was ist los mit ihm?«, rief Emma.
»Ich weiß es nicht! Mein Gott, er dreht durch …«
»Er ist gefährlich nahe an der Werkzeugaufhängung. Hol ihn da weg, ehe er seinen Anzug beschädigt!«
Sie sah, wie Luther seinen Kollegen am Arm fasste. »Komm, Nikolai! Wir gehen zurück in die Druckschleuse!«
Plötzlich packte Nikolai seinen Helm mit beiden Händen, als wollte er ihn herunterreißen.
»Nein!
Nicht!
«, schrie Luther und griff in dem verzweifelten Versuch, ihn zurückzuhalten, nach Nikolais Armen. Die beiden Männer rangen miteinander, und unter ihren unkontrollierten Bewegungen wickelten sich ihre Nabelschnüre um sie und drohten sich zu verheddern.
Griggs und Diana beobachteten inzwischen mit Emma den Monitor, alle drei verfolgten entsetzt das Drama, das sich außerhalb der Station abspielte.
»Luther, die Werkzeugaufhängung!«, warnte Griggs. »Passt auf eure Anzüge auf!«
Kaum hatte er das gesagt, drehte Nikolai sich
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