In der Schwebe
rief Emma zornig. »Ich habe lediglich die einfache Feststellung gemacht, dass du die richtige Diagnose gestellt und entsprechend gehandelt hast. Kannst du nicht
einmal
ein wenig nachsichtig mit dir selbst sein?«
»Hör mal, hier geht’s nicht um mich, okay?«, gab er zurück.
»Es geht um
dich!
«
»Was meinst du damit?«
»Debbie kommt so schnell nicht wieder raus. Und das bedeutet, dass Bill …«
»Ich weiß. Gordon Obie hat mich schon vorgewarnt.«
Jack antwortete nicht sofort. »Dann ist es also entschieden?«
Sie nickte. »Bill kommt nach Hause. Ich werde ihn mit dem nächsten Flug ablösen.« Ihr Blick schweifte hinüber zur Intensivstation. »Sie haben zwei Kinder«, sagte sie leise. »Er kann nicht da oben bleiben. Nicht drei Monate.«
»Du bist noch nicht so weit. Du hast keine Zeit gehabt …«
»Ich
werde
so weit sein.« Sie drehte sich um.
»Emma.« Er streckte die Hand aus, um sie zurückzuhalten, und seine Berührung überraschte sie. Sie drehte sich zu ihm um. Sofort ließ er sie wieder los.
»Wann gehst du nach Kennedy?«
»In einer Woche. Quarantäne.«
Er sah betroffen aus. Doch er schwieg, während er versuchte, die Nachricht zu verarbeiten.
»Da fällt mir ein«, sagte sie, »könntest du dich um Humphrey kümmern, wenn ich weg bin?«
»Warum gibst du ihn nicht in Pflege?«
»Es ist grausam, eine Katze drei Monate lang einzusperren.«
»Hast du dem kleinen Ungeheuer schon die Krallen stutzen lassen?«
»Stell dich nicht so an, Jack. Er wetzt nur dann seine Krallen, wenn er das Gefühl hat, dass man ihn ignoriert. Kümmer dich richtig um ihn, dann lässt er auch deine Möbel in Ruhe.«
Jack hob den Blick, als die Durchsage über den Lautsprecher kam: »Dr. McCallum in die Notaufnahme. Dr. McCallum in die Notaufnahme.«
»Du musst jetzt wohl gehen«, sagte sie und wandte sich von ihm ab.
»Warte. Das geht alles so schnell. Wir hatten gar keine Zeit zum Reden.«
»Falls es um die Scheidung geht, kann dir mein Anwalt alle Fragen beantworten, solange ich weg bin.«
»Nein.« Sein scharfer Ton schreckte sie auf. »Nein, ich
will
nicht mit deinem Anwalt reden!«
»Und was willst du mir so Dringendes sagen?«
Er starrte sie einen Augenblick lang an, als suche er nach den richtigen Worten. »Es geht um diese Mission«, sagte er schließlich. »Das Ganze ist überstürzt. Ich habe kein gutes Gefühl dabei.«
»Was soll das denn heißen?«
»Du wirst in letzter Minute eingewechselt und fliegst mit einer fremden Crew«
»Vance hat sein Schiff voll im Griff. Ich habe keine Bedenken, was diesen Flug betrifft.«
»Und was ist mit der Raumstation? Es könnte sein, dass du sechs Monate im Orbit bleiben musst.«
»Das schaffe ich schon.«
»Aber so war es nicht geplant. Das ist alles in letzter Minute zusammengeschustert worden.«
»Was willst du mir damit sagen, Jack? Dass ich kneifen soll?«
»Ich weiß nicht!« Frustriert fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. »Ich weiß es nicht.«
So standen sie eine Weile schweigend da. Keiner wusste genau, was er sagen sollte, und doch waren beide noch nicht bereit, das Gespräch zu beenden.
Sieben Jahre Ehe,
dachte sie,
und das ist dabei herausgekommen. Zwei Menschen, die nicht zusammenbleiben können und sich auch nicht voneinander trennen können. Und jetzt bleibt keine Zeit mehr, die Dinge zwischen uns zu klären.
Wieder kam eine Durchsage über den Lautsprecher: »Dr. McCallum sofort in die Notaufnahme!«
Jack sah sie an. Sein Blick drückte Zerrissenheit aus.
»Emma …«
»Geh, Jack«, drängte sie ihn. »Du wirst gebraucht.«
Enttäuscht stöhnte er auf und machte sich im Laufschritt auf den Weg in die Notaufnahme.
Und sie drehte sich um und ging in die andere Richtung.
4
12. Juli, An Bord der ISS
Durch das Beobachtungsfenster in der Kuppel des Verbindungsknotens in der Mitte der Station konnte Dr. William Haning sehen, wie die Wolken fünfhundert Kilometer unter ihm über den Atlantischen Ozean wirbelten. Er berührte das Glas, und seine Finger glitten über die Trennscheibe, die ihn vor dem Vakuum des Weltalls schützte. Sie war wie ein weiteres Hindernis zwischen ihm und seinem Zuhause. Zwischen ihm und seiner Frau. Er sah, wie die Erde sich unter ihm drehte, sah den Atlantik allmählich verschwinden, sah, wie Nordafrika und dann der Indische Ozean vorüberglitten und die Dunkelheit der Nacht heranrückte. Obwohl sein Körper schwerelos im Raum schwebte, schien die Last des Kummers auf seine Brust zu drücken und ihm
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