In der Schwebe
sicher?«
»Das EKG weist nur unspezifische Veränderungen auf – lediglich einige T-Inversionen. Das ist nicht das klassische Muster eines Myokardinfarkts. Zudem wurde Hirai vor der Aufnahme in das Programm gründlich auf Herz- und Kreislauferkrankungen untersucht. Er hatte keinerlei Risikofaktoren. Wir wissen ehrlich gesagt nicht, was mit ihm los ist. Aber wir müssen davon ausgehen, dass er einen Herzinfarkt hatte. Das bedeutet, dass eine Shuttle-Evakuierung die beste Lösung ist. Der Wiedereintritt ist sanfter und die Landung besser steuerbar. Die Belastung für den Patienten ist somit wesentlich geringer als bei einer Rückkehr im CRY In der Zwischenzeit kann die ISS-Crew bei eventuell auftretenden Arrhythmien eingreifen.«
Jack sah von den Laborberichten auf, die er durchgelesen hatte. »Ohne die nötige Laborausstattung kann die Station diese CPK-Spiegel nicht fraktionieren. Wie können wir dann wissen, ob das Enzym tatsächlich aus dem Herz stammt?«
Alle Aufmerksamkeit richtete sich plötzlich auf ihn.
»Was verstehen Sie unter ›fraktionieren‹?«, fragte Woody Ellis.
»Creatinphosphokinase ist ein Enzym, das den Muskelzellen hilft, gespeicherte Energie zu nutzen. Es findet sich sowohl im gestreiften Muskelgewebe als auch im Herzmuskel. Werden Herzmuskelzellen geschädigt, wie zum Beispiel bei einem Herzinfarkt, steigt der CPK-Spiegel im Blut an. Deshalb vermuten wir, dass er eine Herzattacke hatte. Aber wenn es nun nicht das Herz ist?«
»Was könnte es denn sonst sein?«
»Eine andere Art der Muskelschädigung. Ein Trauma vielleicht, oder Krämpfe. Eine Entzündung. Selbst eine simple intramuskuläre Injektion kann den CPK-Spiegel ansteigen lassen. Man muss eine Fraktionierung durchführen, um zu bestimmen, ob das CPK aus dem Herzmuskel stammt. Die Station kann diesen Test nicht durchführen.«
»Also hatte er vielleicht gar keinen Herzinfarkt.«
»Richtig. Es gibt ein weiteres verwirrendes Detail. Nach einer akuten Muskelschädigung sollte sein CPK wieder auf den Normalwert sinken. Aber sehen Sie sich diesen Verlauf an.« Jack blätterte in den Laborberichten und las die Zahlen vor. »In den letzten vierundzwanzig Stunden ist sein Spiegel stetig
angestiegen.
Das deutet auf eine dauerhafte Schädigung hin.«
»Das ist nur ein Teil des eigentlichen Rätsels«, ergänzte Todd.
»Wir haben durchweg abnorme Werte, ohne dass sich ein Muster erkennen ließe. Leberenzyme, Nierenfunktionen, Leukozyten. Einige Werte steigen, während andere fallen. Es sieht so aus, als würden verschiedene Organsysteme der Reihe nach angegriffen.«
Jack sah ihn an. »Angegriffen?«
»Das habe ich nicht wörtlich gemeint, Jack. Ich weiß nicht, mit welcher Art von Prozess wir es zu tun haben. Ich weiß aber, dass es kein Laborfehler ist. Wir haben zur Kontrolle die anderen Crewmitglieder untersucht, ihre Werte sind völlig normal.«
»Aber ist er denn überhaupt so krank, dass eine Evakuierung gleich welcher Art gerechtfertigt ist?« Die Frage kam vom Einsatzleiter für das Shuttle-Programm. Ihm gefiel das Ganze überhaupt nicht. Der ursprüngliche Auftrag der
Discovery
war gewesen, den geheimen Spionagesatelliten
Capricorn
zu bergen und zu reparieren. Jetzt hatte die Krise an Bord der ISS sich dieser Mission bemächtigt. »Washington ist nicht glücklich über die Verschiebung der Satellitenreparatur. Sie haben diesen Flug an sich gerissen, damit die
Discovery
den fliegenden Rettungswagen spielen kann. Ist das wirklich erforderlich? Kann sich Hirai nicht an Bord der Station erholen?«
»Das können wir nicht vorhersagen. Wir wissen nicht, was ihm fehlt«, sagte Todd.
»Aber ich bitte Sie, Sie haben doch eine Ärztin da oben! Kann
sie
denn nicht dahinter kommen?«
Jacks Muskeln spannten sich. Das war ein Angriff gegen Emma. »Sie hat schließlich keinen Röntgenblick«, sagte er.
»Aber sonst hat sie so gut wie alles zur Verfügung. Wie sagten Sie noch, Dr. Cutler? ›Die Station hat eine gute medizinischtechnische Ausstattung‹?«
»Der Astronaut Hirai muss zurück zur Erde, und zwar so schnell wie möglich«, sagte Todd. »Das ist und bleibt unser Standpunkt. Wenn Sie die Arbeit Ihrer Flugärzte kritisieren wollen, bitte sehr. Ich kann nur sagen, dass ich mir niemals anmaßen würde, einem Ingenieur Ratschläge hinsichtlich der Antriebssysteme zu erteilen.«
Damit war die Auseinandersetzung beendet.
Der stellvertretende NSTS-Direktor sagte: »Gibt es sonst noch irgendetwas?«
»Das Wetter«, sagte der
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