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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ich bei Ihnen mal telefonieren?«
    »Klar, schlagen Sie einfach die Tür zu, wenn Sie raus gehen. Abschließen müssen Sie nicht«, sagt Kink, als er in seinen Pritschenwagen steigt. »Wir seh'n uns, Dick.«
    »Auf bald, Kink.« Baedecker geht ins Haus und versucht, Diane anzurufen. Niemand nimmt ab. Das Nachmittagslicht sieht aus, als wäre es später Abend, als hätte das Universum keine Energie mehr.
    Baedecker fährt durch Lonerock zurück, fährt an dem abgeschlossenen Haus vorbei und biegt nach rechts zur Schule ab. Er sieht, daß die Vorhänge immer noch geschlossen sind, wendet um hundertachtzig Grad im Schnee und fährt schon Richtung Hauptstraße zurück, als er die schlanke Gestalt mit dem weißen Haarschopf von der Wiese dahinter um das Haus herumkommen sieht. Er hält an, steigt aus dem Auto aus und läuft bergauf zu ihr, wobei er denkt, daß Miz Callahan mit ihrem langen, dunklen Mantel Ähnlichkeit mit der Vogelscheuche in ihrem gefrorenen Garten hat.
    »Mister Baedecker«, sagt sie und nimmt seine Hand in ihre beiden. »Ich habe mein Automobil gerade reisefertig gemacht. Ich habe beschlossen, zur Küste zu fahren und ein paar Wochen bei der Tochter von Mr. Callahans Schwester zu verbringen.«
    »Ich bin froh, daß ich Sie noch getroffen habe«, sagt Baedecker.
    »Ist das nicht schrecklich mit David?« fragt sie und verkrampft gerührt die Hände.
    »Ja, das ist es«, sagt Baedecker und betrachtet den großen Labrador Sable -, der um das Haus herumgehüpft kommt.
    Und dann sind sie da vier -, kaum groß genug, laufen zu können, und Baedecker sinkt auf ein Knie, streichelt sie, krault sie hinter den Ohren und braucht die Worte der alten Frau nicht einmal zu hören, um zu bestätigen, was er schon weiß.
    »So schrecklich traurig«, sagt sie, »und David war extra von so weit gekommen, um den richtigen für seinen Jungen auszusuchen.«
     
    Baedecker ruft von Condon aus an. Diane nimmt nach dem dritten Läuten ab.
    »Tut mir leid, daß ich heute morgen nicht zum Frühstück da war«, sagt er. »Ich habe beschlossen, mit Bill und den anderen zu reden und den vorläufigen Bericht zu holen.«
    »Sag es mir«, bittet sie.
    Baedecker zögert einen Moment. »Wir können heute abend miteinander reden, wenn wir mehr Zeit haben, Di. Ich möchte es nicht alles am Telefon erzählen.«
    »Bitte, Richard. Ich möchte das Wichtigste gleich wissen.« Ihre Stimme klingt sanft aber bestimmt.
    »Na gut«, sagt Baedecker. »Erstens, das Steuerbordtriebwerk war ganz ausgefallen, wie sie vermutet haben, aber sie sind jetzt auch ziemlich sicher, daß Dave es kurz vor dem Absturz wieder starten konnte. Das Hydraulikproblem ist auf ein belastungsbedingtes strukturelles Versagen zurückzuführen niemand hätte es bemerken können -, aber selbst das scheint sich bei fünfunddreißig Prozent stabilisiert zu haben. Ich weiß nicht, ob das Fahrgestell ausgefahren wäre, aber ich bin sicher, David wollte sich erst darum kümmern, wenn es soweit war.
    Zweitens, er konnte kein bißchen sehen, Di. Er sagt auf dem Band, daß er Lichter sehen könne, als er bei zweitausend aus den Wolken kam, aber nur etwa zwei Sekunden. Der Berg, mit dem er zusammengestoßen ist, lag mitten in einem schweren Unwetter, heftiger Regen und null Sicht auf mindestens acht Meilen nach Norden.
    Drittens und das ist das Entscheidende, Di -, der Kontrolleur des Portland Center, der den Notfall übernahm, sagte Dave, es hätte Klippen bis fünfzehnhundert Metern hier. Die Klippe, gegen die er geflogen ist, war tausendsechshundertachtzig Meter hoch; sie verlief nach Osten bis zum Mount St. Helens. Ich gehe jede Wette ein, daß Dave fünfzehnhundert als seine Mindestflughöhe hatte. Vielleicht höher, aber es kommt darauf an, daß er das Biest gerade wieder im Korral hatte er hatte das Hydraulikproblem im Griff, hatte das Eis überwunden, hatte die Maschine wieder in Gang gebracht und war keine vier Meilen mehr von Portland entfernt. Er hat sein Bestes getan, Di, und er hätte es geschafft, wenn diese Klippe nicht gewesen wäre.«
    Baedecker verstummt und sieht... nein, fühlt diese letzten Sekunden. Der Kampf gegen einen Steuerknüppel, der so schwer geworden ist wie eine Brechstange in einer Kiste voller Steine; Pedale, die versuchen, ihm die Knie in den Bauch zu drücken; keine Zeit, zu der regenüberströmten Sichthaube hinauszusehen; Luftgeschwindigkeitsanzeiger und Höhenmesser im Auge behalten und dabei gleichzeitig an der Drossel spielen auf genau die

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