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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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kam er mir so unrei vor. Und manchmal wie ein alter Mann, der vergessen hat, wie man lacht.«
    »Aber Sie sind ihm zehntausend Meilen weit gefolgt.« Dieses Mal zuckte sie doch die Achseln. »Er suchte nach etwas. Damit war es uns beiden ernst...«
    »Orte der Macht?«
    »So ähnlich. Nur dachte Scott, wenn er es nicht bald finden würde, würde er es nie finden. Er sagte, er wollte sein Leben nicht vergeuden wie ...«
    »Wie sein alter Herr?«
    »Wie so viele Menschen. Darum beschloß ich, herzukommen und mich auch einmal umzusehen, als er mir schrieb. Nur, für mich sind es nur Ferien. Jc werde nächstes Jahr meinen Abschluß machen.«
    »Glauben Sie, daß er es gefunden hat?« fragte Baedekker. Seine Stimme zitterte beinahe.
    Maggie Brown legte den Kopf zurück und holte tief Luft. »Ich glaube nicht, daß er irgend etwas gefunden hat. Ich glaube, er hat sich nur in den Kopf gesetzt, zu beweisen, daß er ein ebenso dummes Arschloch wie alle anderen auch sein kann. Bitte entschuldigen Sie den Ausdruck, Mr. Baedecker.«
    Baedecker lächelte. »Maggie, ich werde nächsten November dreiundfünfzig. Ich wiege einundzwanzig Pfund mehr als zu meinen Zeiten als Vollzeitpilot. Mein Job hängt mir zum Hals raus. In meinem Büro stehen die hellen Möbel, die man in den fünfziger Jahren hatte. Meine Frau hat sich nach achtzundzwanzig Ehejahren von mir scheiden lassen und lebt jetzt mit einem Notar zusammen, der sich das Haar tönt und als Hobby Chinchillas züchtet. Ich habe zwei Jahre lang versucht, ein Buch zu schreiben, bis mir klar wurde, daß ich überhaupt nichts zu sagen habe. Ich habe gerade fast eine ganze Woche mit einem wunderschönen jungen Mädchen verbracht, das die ganze Zeit keinen BH trug, und habe nicht einmal Annäherungsversuche unternommen. Also... einen Augenblick, bitte ... wenn Sie nun sagen wollen, daß mein Sohn, mein einziger Sohn, ein ebensolches Arschloch wie alle anderen ist, nun, dann nur zu.« Maggies Gelächter hallte von dem hohen Gebäude wider. Ein älteres englisches Ehepaar sah sie an, als kicherten sie in der Kirche.
    »Nun gut«, sagte sie schließlich. »Darum bin ich hier. Warum sind Sie gekommen?«
    Baedecker blinzelte. »Ich bin sein Vater.« Maggie Browns grüne Augen zuckten nicht einmal. »Sie haben recht«, sagte er. »Das ist nicht ausreichend.« Er griff in die Tasche und zog das Christophorusmedaillon heraus.
    »Mein Vater hat sie mir gegeben, als ich zu den Marines gegangen bin«, sagte er. »Mein Vater und ich hatten nicht viel gemeinsam ...«
    »War er katholisch?«
    Baedecker lachte. »Nein, er war nicht katholisch reformiert. aber sein Großvater war katholisch gewesen. Dieses Ding hat schon viel erlebt.« Baedecker erzählte ihr von der Reise des Medaillons zum Mond.
    »Herrgott«, sagte Maggie. »Und St. Christophorus ist nicht einmal mehr ein Heiliger, oder?«
    »Nee.«
    »Das spielt aber keine Rolle, oder?«
    »Nein.«
    Maggie sah über den Fluß. Das Licht erlosch. Laternen und offene Feuer leuchteten hinter einer Baumreihe. Süßlicher Rauch hing in der Luft.
    »Wissen Sie, welches das traurigste Buch war, das ich je gelesen habe?« fragte sie.
    »Nein. Was war denn das traurigste Buch, das Sie je gelesen haben?«
    »Tce Boys o Summer. Auch gelesen?«
    »Nein. Aber ich kann mich erinnern, wie es veröffentlicht wurde. Ein Sportbuch, richtig?«
    »Ja. Der Verfasser Roger Kahn besuchte eine Menge der Jungs, die 1952 und '53 für die Brooklyn Dodgers gespielt haben.«
    »An die Spielzeiten kann ich mich noch erinnern«, sagte Baedecker. »Duke Snider, Campanella, Billy Cox. Was ist daran so traurig? Sie haben die Weltserie nicht gewonnen, aber sie hatten eine tolle Saison.«
    »Ja, aber genau das ist es ja«, sagte Maggie, und Baedecker stellte erstaunt fest, wie ernst und gepreßt ihre Stimme klang. »Jahre später, als Kahn die Jungs aufsuchte, war das immer noch ihre beste Saison. Ich meine, es war die beste Zeit in ihrem ganzen beschissenen Leren und die meisten von ihnen wollten das nicht glauben. Sie waren nur alte Fürze, die Autogramme gaben und darauf warteten, daß sie starben, und trotzdem taten sie so, als läge das Beste noch vor ihnen.«
    Baedecker lachte nicht. Er nickte. Maggie blätterte verlegen in dem Reiseführer. Nach einem Augenblick des Schweigens sagte sie: »Hier steht etwas Interessantes.«
    »Und das wäre?«
    »Daß das Taj Mahal nur eine Übung gewesen ist. Der alte Shah Jahan hatte ein noJc größeres Grabmal für sich geplant. Auf der

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