In der Stille der Nacht - Thriller
mehr wiederzuerkennen.
Er seufzte, rutschte auf dem Hintern herum und zog sein Handy hervor. Das Symbol für die Batterie blinkte. Er hatte es in der Nacht als Taschenlampe benutzt, als die Kerzen abgebrannt waren, hatte Feuerholz auf dem Boden gesucht, aber in der kompletten Scheißfabrik absolut nichts Brennbares gefunden.
Er sah auf die Zeit, die sein Handy anzeigte: sechs Uhr fünfzig. Zu früh. Er würde genervt sein, aber Eddy konnte nicht länger warten. Er hielt sich das Handy an die Stirn, schloss die Augen, ging die Fakten noch einmal im Kopf durch, überlegte, was er sagen wollte und was nicht. Dann betrachtete er die Tasten und gab mit seinen blutig verschmierten Fingern die Nummer ein.
Schweigend wurde das Gespräch angenommen.
»Ich bin’s«, sagte Eddy, der sich plötzlich überfordert und weinerlich fühlte.
»Darf ich raten?«, sagte der Ire. »Ihr habt gestern Abend nichts bekommen.«
»Korrekt.« Eddy hatte sich vorgenommen, sich von vornherein gegen Vorwürfe und Beschuldigungen zu verwahren, aber jetzt verließ ihn der Mut und er traute seiner Stimme nicht.
»Was ist los?«
»Haben … einen Mann verloren.«
»Verloren?« Der Ire hatte sich offenbar aufgesetzt und hörte plötzlich aufmerksam zu.
»Ja. Verloren.«
»Die Zielperson?«
»Nein, einen von uns …«
»Wo ist die Zielperson?«
»Hm.« Eddy sah sich im Gras um, als erwartete er, dass
Aamir plötzlich aufsprang und ihm zuwinkte. »Aufenthaltsort unklar.«
»Unklar? … Unklar?«
»Ja, also …«
Der Ire saß jetzt kerzengerade, das spürte Eddy und er sprach direkt in den Hörer. »Mein Freund, nur damit wir uns richtig verstehen: Einer von deinen Leuten ist tot und die Geisel ist über alle Berge, ist das so?«
Eddy sprach nicht gerne normal mit ihm; dadurch wirkte alles blöd und aussichtslos. Er presste ein unsicheres »Mhm« hervor, das eher wie ein Stöhnen klang.
»Du schuldest mir sowieso noch was für die Waffen«, sagte der Ire und wirkte jetzt weniger cool und professionell, als besorgt und gereizt.
»Verstanden? Das wird dir nicht erlassen, verstanden?«
Eddy betrachtete wütend das Handy. Der Ire war verdammt nochmal angeblich Profi, unerschütterlich sollte er sein, die Ausbildung war schließlich gerade dann entscheidend, wenn die Kacke am Dampfen war. Sich vor Schiss in die Hosen machen, das konnte Eddy auch alleine. Eddy hörte schweres Atmen am anderen Ende, dann sprach der Ire wieder. »Er ist also abgehaun. Ist er schon zu Hause angekommen, weißt du das?«
Eddy sah Richtung Marschland. »Nein.«
»Wird er dort ankommen?«
Eddy schloss fest die Augen. Er wollte nicht darüber reden. »Nein.«
»Gut. Was haben die euch angeboten?«
»Vierzigtausend.«
»Ist das alles?«
»Ja.« Eddy wurde bei dem Gedanken an vierzigtausend
Pfund wieder weinerlich zumute. »Sag mal, bist du sicher, dass die krumme Dinger abziehen?«
»Das sind Geheimdienstinformationen, auf die ist Verlass. Die haben uns einen Grundriss vom Haus gegeben und alles.«
Eddy wunderte sich, dass der Ire einen Grundriss des Hauses besaß, ihnen aber nichts davon gesagt hatte. »Ich mein nur, weil die einem so normal vorkommen, das Haus ist gar nicht so groß und da wohnen eine Million Leute drin.«
»Das ist so bei den Pakis. Auf die Info ist Verlass. Die bauen keinen Scheiß. Nimm die vierzig Riesen an. Arrangier die Übergabe heute Vormittag.«
»Aber Vierzigtausend sind gar nichts …«
»Nimm sie und halt’s Maul. Ruf an, akzeptier die Summe und mach sofort einen Ort für die Übergabe aus.«
»Und dann tauch ich unter, oder was?«, fragte Eddy hoffnungsfroh. Ihm gefiel, dass das Ganze nach einer Trainingsübung klang, nach einer Abfolge von Aktionen, die den Erfolg einer Mission garantieren.
Der Ire zögerte. »Ist das klargeworden?«
Eddy runzelte die Stirn, weil er keine Antwort bekam.
»Gut, pass auf, ich sag dir was. Ruf an, akzeptier die Summe, mach einen Punkt für die Übergabe heute Abend um sieben Uhr aus, verstanden?«
»Wieso?«
Ein tiefer Seufzer toste Eddy in die Ohren. »Mein Freund, wir machen das ständig, nie gab’s Probleme, okay? Das hier … ist kompliziert. Dein erstes Mal, hast nicht viel … Anleitung gehabt. Aber ich will dir eins lassen, mein Freund, du machst dich ganz vielversprechend … wirklich vielversprechend.«
Eddy war nicht dumm. Eigentlich fand er, dass er keine vielversprechende Leistung abgeliefert hatte; er hatte gravierende Fehler gemacht, aber er fragte sich, wie das
Weitere Kostenlose Bücher