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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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zu haben. »Gut. Hat er rausgekriegt, was schuld an der Verstopfung war?«
    »Zeitungspapier, hat er gesagt.« Brian versuchte Blickkontakt zu ihr aufzunehmen, hielt den Kopf extra tiefer, um ihr in die Augen zu sehen, verpasste sie aber jedes Mal. »Er meinte jemand in unserer Straße hat Zeitungspapier statt Toilettenpapier benutzt. Das löst sich nicht richtig auf.« Sie sagte nichts. Er wartete einen Augenblick. »Ich glaube, das sind wahrscheinlich die Studenten weiter hinten, in dem Bianci-Haus. Bestimmt hatten die kein Papier mehr und haben improvisiert.« Er zwang sich zu lächeln, schloss die Augen halb und hielt sie so, auch als das Lächeln längst verschwunden war. Er wollte nicht, dass man ihm seine Verletztheit anmerkte. »Soll ich dir ein Bad einlassen?«
    Morrow war nicht mehr in die Beschaffenheit seiner Haut verliebt, in die Art wie er seinen Becher hielt oder in die Direktheit seines Blicks. »Ich glaube, ich mache mir einen Kräutertee. Willst du auch?«
    »Ich bleib heute Abend beim Bier.« Er hielt seine Flasche hoch, als wollte er sich schuldig bekennen. »Hab dringend ein Bier gebraucht …«
    Sie wandte sich ab und setzte den Teekessel auf, biss sich fest auf die Unterlippe, um nicht loszuschreien.
    Brian wich aus, wollte nicht darüber reden. Atemlos drehte sie sich zum Geschirrschrank um und gab eine Warnung
aus: »Gott, ich bin absolut fix und fertig.« Sie nahm einen Becher heraus und beobachtete den Kessel, der sich rumpelnd auf das hohe C vorbereitete. Sag’s nicht, Brian. Sag’s verdammt nochmal nicht.
    Brian betrachtete eine Zeit lang ihren Rücken, sie spürte, dass er sich nach ihr streckte, sie für ihn aber unerreichbar war. »Na ja, du weißt doch, abwarten und Tee … du kennst das ja.« Er kicherte, um seine Verlegenheit zu überspielen.
    Morrow, noch immer von ihm abgewandt, biss in den Knöchel ihres Zeigefingers, so fest, dass sie Blut schmeckte.

    Der Strukturputz an der Schlafzimmerdecke bildete eine zerklüftete Berglandschaft im Dunkeln. Morrow starrte sie an, wünschte sich wütend in den Schlaf, bahnte sich einen Weg von einer Seite des Raums zur anderen, über Pässe und durch Täler. Das beruhigte sie, es war eine große Aufgabe, die Zimmerdecke war breit und dunkel, all die Bergkämme im Auge zu behalten war schwer. Sie war bereits eine knappe Stunde dabei, als sie hörte, wie sich unten etwas rührte, ein Licht ging aus, eine Tür schlug zu. Sie horchte, folgte in Gedanken Brians Bewegungen, der sich langsam und unaufhaltsam näherte.
    Er war fertig mit der Arbeit, hatte seinen Stuhl beim Aufstehen mit den Kniekehlen auf dem Steinfußboden zurückgeschoben. Sie hörte das Zuklappen seines Laptops. Er ging in den Flur, um den Laptop in der Schutzhülle aus Schaumstoff zu verstauen und dann in seine Tasche für den nächsten Morgen zu packen. Er würde es in Gedanken sagen, weil sie nicht da war und er es nicht zu ihr sagen konnte: »Ordnung ist das halbe Leben.«
    Brian flüchtete sich in die Sicherheit seiner alltäglichen
Routine, in die Sicherheit von Klischees. Er aß jeden Mittag dasselbe, Graubrot mit Schinken und Käse, dazu einen Apfel. Er war in seinen Gewohnheiten vollkommen vorhersehbar. Sicher.
    Sie hatte die Zimmerdecke bis zur Hälfte überquert, hatte fast die Mitte erreicht, als Brian plötzlich keine Geräusche mehr machte und sie nicht mehr sicher war, wo er sich befand, doch dann begann die Spülmaschine rüttelnd ihren abendlichen Waschgang. Im Flur ging wieder das Licht aus und das gleichmäßige Stampfen von Schritten wurde auf der teppichbedeckten Treppe zum Badezimmer vernehmbar. Zähneputzen, Zahnseide, Zahnseide begutachten. Gesicht waschen und abtrocknen, dreimal mit dem Handtuch tupfen - Wange, Wange, Nacken.
    Aber Brian ging nicht ins Badezimmer. Oben an der Treppe angekommen, wich er von seinen Gewohnheiten ab. Er war vor dem Kinderzimmer stehen geblieben. Sie horchte auf seine Bewegungen, hörte aber nichts. Brian stand zu lange da, als dass er etwas vergessen haben, ihm noch etwas eingefallen sein oder er sich in einem Gedanken verloren haben könnte. Er dachte, sie würde schlafen und er sei allein, und draußen in der einsamen Dunkelheit des Flurs hörte sie ihn leise schluchzen.
    Brian stand draußen vor der Schlafzimmertür und weinte um den verlorenen Mittelpunkt seiner Welt und Morrow verirrte sich in den Bergen.

31
    Seine Beine waren taub, seine Hände waren taub, sein Gesicht, seine Brust und sein Herz waren taub. Aamir

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