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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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Sie.«

    Harris fuhr vorsichtig auf den Bordstein. Er hätte gar nicht so vorsichtig sein müssen, denn sonst standen nicht viele Autos auf der Straße und die meisten parkten ordentlich in überdachten Einfahrten vor den Häusern, aber er war froh aus dem Büro rauszukommen, weg von den Videos, und es machte ihm Spaß, sich die Fakten aus dem Briefing durch den Kopf gehen zu lassen.
    »Toryglen?«
    »Ja, die haben ihn dort an der Hauptstraße abgesetzt, hat er gesagt.«
    »Gibt’s dort irgendwelche Taits?«
    »Nein.«
    »Hast du was auf den Bändern der Überwachungskamera aus dem Laden gefunden?«, fragte sie.
    »Da waren schon ein paar Merkwürdigkeiten, aber nichts Dramatisches. Ich hab’s markiert und Gobby gebeten, sich das mal anzusehen, bin nicht ganz sicher, ob ich nicht vielleicht langsam blind werde oder so.«
    »Zeig mir die Stellen, wenn wir zurückkommen.«
    »Ja. Aber Chefin, weißt du, selbst wenn es um Umsatzsteuerbetrug
ginge, das wäre egal. Selbst wenn die Familie den Staat um Millionen bescheißt, erklärt das bestenfalls, warum sie zur Zielscheibe wurden, aber es hilft uns nicht, den alten Mann zu finden und lebendig da rauszuholen, oder?«
    Morrow nickte. »Ja, aber wenn wir herausbekommen, wodurch sie zur Zielscheibe wurden, führt uns das wahrscheinlich zu den Entführern. Aber wenn es zur Verhandlung kommt, wird jeder Strafverteidiger darauf herumreiten, um die Familie in Verruf zu bringen. Das verkompliziert den ganzen Fall.«
    »Schätze, du hast Recht.« Harris öffnete seine Tür, hielt aber mit einem Fuß auf dem Asphalt inne. »Glaubst du Bannerman kneift?«
    So etwas zu behaupten, hätte gegen die Dienstetikette verstoßen. »DC Harris, wie kommen Sie nur darauf?« Als sie jeder auf einer Seite des Wagens die Straße entlangsahen und sich mit dem Ort vertraut machten, fragte sie ihn: »Wirklich, wie kommst du bloß auf die Idee?«
    Er zuckte mit den Schultern, fühlte sich verunsichert. »Gerüchte.«
    »Ach.« Mit mehr war er nicht bereit herauszurücken. Das gefiel ihr.
    »Welche Gerüchte kursieren denn über mich?«
    »Über dich kursieren gar keine Gerüchte, Chefin.«
    Sie sah ihn an, beunruhigt, weil sie fürchtete, ihn vielleicht zu sehr bedrängt zu haben. Bei dem Gedanken war ihr nicht wohl. »Schade. Ich hab ein paar gute in Umlauf gebracht.«
    »Die haben dich halt auf dem Kieker.«
    Sie hätte sich fast verschluckt, mit Mitgefühl hatte sie niemals gerechnet und es rührte sie zutiefst. Sie sah weg und verbarg ihr Gesicht.

    Es waren arme Häuser. Eine lange gewundene Straße mit erkerlosen Reihenhäusern, Sozialwohnungen. Telefon- und Stromleitungen waren an den Fassaden befestigt, der graue Putz war schwarz geworden, wirkte wie die architektonische Entsprechung einer Hautkrankheit. Trotzdem hatten einige Bewohner ihre Häuser gekauft: Unpassende Holzdächer waren vor einige der Haustüren gebaut worden, keines passte zum anderen. Eines der Häuser hatte Fenster im Tudorstil, mit Bleistreben und Rüschenvorhängen dahinter. Auch die Gärten wirkten gepflegt, ordentliche Kieswege und Blumenampeln an den Wänden, Pflanzenkübel, die zu groß waren, als dass man sie einfach klauen könnte. Wo Hecken wuchsen, waren sie ordentlich geschnitten. Sie hätte sich das Viertel nicht ausgesucht, aber den Leuten, die hier wohnten, gefiel es offenbar. Rosafarbenes Plastikspielzeug lag im Gras eines Gartens verstreut und ein platter Fußball lag auf dem Bordstein auf der Straße. Morrow fiel auf, dass die Straße eine Sackgasse war. Ein hübscher sicherer Spielplatz für Kinder. Die Straße war allerdings leer; alle Kinder waren in der Schule, die Eltern kümmerten sich um den Haushalt oder waren arbeiten gegangen. Am Ende der Straße erhob sich eine moderne kleine Kirche auf einem Hügel wie ein Dorfgefängnis.
    Malki Taits Adresse war die Hausnummer zwölf. Von draußen wirkte das Haus wie das eines Rentners. Bescheidene Porzellanfiguren standen aufgereiht auf dem Fensterbrett; ein Schäferhund, ein kleiner chinesischer Blumenstrauß, eine Maus mit einem Stück Käse. Die Stufen vor der Tür waren gewischt worden, noch feucht aber sie trockneten bereits, die Spur der feuchten Schrubberbürste war gerade noch auf dem grauen Beton zu erkennen.

    Die Tür war eine vom Sozialamt, vollkommen schnörkellos und in einem munteren Kornblumenblau gestrichen, die Bewohner hatten das Haus nicht gekauft, hier gab es kein Geld, die Tür war seit den siebziger Jahren nicht erneuert worden.

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