In der Stille der Nacht - Thriller
Goldringe funkelten in seinem Augenwinkel. »Ich rufe Malki an, er soll auf Shugie aufpassen.«
»Wie sollen wir das bloß anstellen? Ich meine, wir kommen hier nicht mehr weg, der Arsch zieht los, besäuft sich und erzählt es überall rum.«
»Malki wird kommen, ich sag ihm, er soll Alk für Shugie mitbringen, damit er zu Hause bleibt. Wir sagen ihm, wir sind gleich wieder da. Du und ich, wir gehen und holen uns Toast oder so …«
»Toast? Was hast du denn andauernd mit Toast?«
»Und wir rufen die Familie an.« Pat stellte sich vor, wie er bei der Familie Anwar zu Hause eintraf, von den Brüdern
begrüßt wurde, wie ein lange verloren geglaubter Freund und wie man ihm Tee anbot, während er seine Jacke in dem pinkfarbenen Flur auszog. »Ich kümmere mich drum, Mann, mach dir keine Sorgen.« Er zeigte auf Eddys Tasche. »Ich rede mit dem Iren.«
Eddy zog sein Handy aus der Tasche, suchte eine Nummer heraus, drückte auf Wählen und reichte es ihm.
Der Ire hatte geschlafen. Seine Stimme war ein wütendes, überrumpeltes Bellen.
»Was?«
»Wir haben den Vater und wir rufen heute Vormittag an.«
»Wer ist da?«
»Der andere.«
Pat konnte hören, wie der Ire nachdachte. »Ich kenne dich nicht.«
»Ich ruf später wieder an«, sagte Pat und legte auf.
Eddy nahm das Telefon zurück, ließ das Kinn sinken, so dass er jetzt zu ihm aufsah, wie ein junger Hund. »Alter …«, sagte er und meinte danke, wollte seine Zuneigung ausdrücken und damit auf Worte anspielen, die er niemals sagen würde.
Auch Pat dachte Dinge, die er niemals sagen würde. Pat dachte, dass die Welt eine bessere wäre, wenn es Eddy nicht gäbe.
12
Morrow saß in ihrem Wagen, als die Sonne über die jungen Bäume in der Blair Avenue stieg. Der Herbst war warm gewesen, es hatte mehr als genug geregnet und in den Gärten explodierte nun das Leben. Die kahler werdenden Äste der gepflegten Bäume überschatteten die Straße und das Laub der grünen Hecken und deren wachsartige Blätter übersäten den Gehweg. Vereinzelte Schauer hatten den Himmel geklärt, der nun in ungebrochenem Blau erstrahlte.
Ihr Hintern war taub. Sie saß bereits seit vierzig Minuten dort, Müdigkeit und Unentschlossenheit hatten sie an ihren Sitz gefesselt. Alle paar Sekunden wollte sie nach dem Wagenschlüssel greifen, ihn herausziehen und die Tür öffnen. Die Muskeln an ihrem Unterarm zuckten, während sie den Bewegungsablauf in Gedanken übte, sich auf das Gehäuse am Schloss konzentrierte, auf das knackende Geräusch, wenn sie den Schlüssel herauszog, das warme marmorierte Plastik des Türgriffs, aber sie bewegte sich nicht.
Sie hatte so lange dort gesessen, dass das ganze Blut aus ihren Händen, die auf dem Lenkrad ruhten, gewichen war. Mehrmals hatte sie daran gedacht, das Radio einzuschalten, um etwas Gesellschaft zu haben, aber damit hätte sie sich eingestanden, dass sie nicht aussteigen würde.
Sie konnte zurück aufs Revier fahren. Bannerman hatte zwar ein Briefing angesetzt, aber sie hätte sich in ihrem Büro
verstecken können. Sie hatte ihren freien Tag. Sie konnte ins Büro fahren und behaupten, sie hätte einfach nicht zu Hause bleiben können - das mit den Überstunden war doch egal - Bereitschaft signalisieren, anstatt reinzugehen und mit Brian klarkommen zu müssen.
Sie sah zu dem brandneuen Haus. Alle Lichter waren ausgeschaltet, die Vorhänge im Wohnzimmer noch zugezogen.
Dies war einst ihr Traum gewesen, als sie noch klein war, in einem sauberen, nichtssagenden Haus zu leben, mit einem sauberen, nichtssagenden Ehemann. Ein Mann, der niemals seine Stimme hob oder irgendetwas Beunruhigendes sagte. Ein Mann, der ihr niemals mitten in der Nacht, wenn sie schlief »Feuer« in die Ohren schrie, weil er besoffen war und Aufmerksamkeit wollte. Ein Mann, der niemals morgens um Viertel nach sechs von der Polizei abgeführt wurde und blutig auf den eigenen Teppich im Flur rotzte, während er weggezerrt wurde.
Das Haus in der Blair Avenue war neu, vor ihnen hatte nie jemand anderes dort gewohnt, und sie genoss dieses Fehlen einer Geschichte. Sie hatten sich dafür entschieden, weil es ruhig war und es so viele Kinder in der Nachbarschaft gab.
Die Haustür war rot gestrichen, der Briefschlitz aus Messing war poliert, und er funkelte dem Sonnenlicht des frühen Morgens munter entgegen. Sie hatte die Tür gemocht, als sie das Haus gekauft hatten. Die meisten Neubauten hatten weiße Plastiktüren. Das hatte ihr beim Besichtigungstermin als
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