In der Stille der Nacht - Thriller
zu sehen, auf die er zielte. Sie waren feucht, Panik stand darin.
»Ich hab mir so scheiß viel Mühe gegeben …«
»Edward.«
»Ich hab mir echt eine scheiß Mühe gemacht.«
»Nimm die Knarre aus meinem Gesicht oder ich bring dich um.«
»Ach, du bringst mich um?« Eddy fuchtelte mit dem Lauf vor Pats Gesicht herum, traute sich nun nicht mehr die Waffe zu senken, weil ihn Pat dann vielleicht umbringen würde. »Ich halte dir eine Kanone vor die Nase und du drohst mir, mich zu töten, hab ich das richtig verstanden? Du drohst mir? Wer bist du verdammt nochmal, dass du glaubst, mir drohen zu können?«
Beide wussten, wer Pat war. Pat war ein Tait und er musste Eddy nicht drohen. Dass er ein Tait war, wenn auch ein mit seinem berüchtigten Familienclan verkrachter, bedeutete sowieso, dass er eine wandelnde Drohung war. Der Lauf zeigte nun auf Pats Ohr. »Richte die Pistole zu Boden«, sagte er beschwörend.
Eddy wusste nicht, was er sonst tun sollte. Er senkte den Lauf und ein erleichtertes Schluchzen entwich ihm.
Ruhig griff Pat nach seiner Hand und nahm ihm die Waffe ab. Er hielt sie von Eddy weg und sicherte sie, holte tief Luft und sagte: »Die Sache hier ist von vorne bis hinten verkackt. Das wissen wir beide.«
»Ja«, flüsterte Eddy eindringlich und Tränen glitten ihm über das Gesicht. »Ja, ich weiß, es ist ein Haufen Scheiße, aber ich weiß nicht … ich hab mich gerade in die Pisse von dem alten Arsch gesetzt.«
Er rieb sich mit dem Handballen die Augen, schmierte sich die Tränen bis zum Haaransatz.
Pat streckte die Hand aus und berührte Eddys Rücken mit den Fingerspitzen und Eddy schlug die Hände vors Gesicht wie ein Mädchen und heulte, schrill und hilflos. Hinter der Küchentür schlug Shugie die Beine übereinander und Pat sah, dass er Turnschuhe mit den falschen Schnürsenkeln trug, braunen Schnürsenkeln für Halbschuhe. Ich gehöre
nicht hierher, sagte er sich und wusste, dass er eigentlich meinte, dass er nicht hierhergehören wollte.
»Wenn sie die verfluchten Kinder nicht mitgenommen hätte, Mann«, quiekte Eddy. »Wenn ich die verdammten Kleinen wenigstens sehen dürfte …«
Aber es war nicht seine Frau gewesen, die verhinderte, dass er die Kinder sah. Diese Lüge hatte sich allmählich eingeschlichen, wie viele andere Lügen in Eddys Leben. Pat spielte mit, aber jetzt plötzlich sah er Eddy an und sah einen Mann, dem der Umgang mit seinen Kindern per Gerichtsbeschluss untersagt worden war, weil er ein launisches, unzuverlässiges Arschloch war, ein Mann, der mit Shugie auftauchte, damit die Leute in ihrer gemeinsamen Stammkneipe wussten, dass er etwas Großes vorhatte, ein Mann, der im Verlauf des heutigen Tages, die Erinnerung an die vergangene Nacht völlig verdrehen und die Ereignisse neu erfinden würde, so dass Pat zum Schluss der Nervöse gewesen sein würde, derjenige, der Scheiße gebaut hatte. Er sah Eddy an, Selbstmitleid strömte ihm aus jeder Pore. Eddy war nicht in der Lage, ehrlich zu sein. Ich gehöre hierher, gestand sich Pat ein, ich gehöre hierher, aber es passt mir nicht.
Pat ließ Eddy weiterheulen und versetzte sich an einen anderen Ort, zurück in den rosafarbenen Flur des nach Toast duftenden Hauses. Er war nicht in dieser schmierigen Küche, war nicht in dem Haus mit dem umstrittenen Schimmelscheißhaufen im Wohnzimmer und den miefenden Müllsäcken in der Ecke. Er war wieder in dem rosafarbenen Flur und er sah eine perfekte schwarze Haarsträhne auf einer Mädchenschulter. Er war wieder im Sauberen, wo schlechte Gerüche Ekel hervorriefen und ein Scheißhaufen
auf dem Boden niemals die Chance hätte, Schimmel anzusetzen. Da wollte er sein.
Sie hatte sich gerade die Haare gekämmt, kurz bevor sie hereinkamen, das wurde ihm jetzt klar. Sie hatte vor dem Fernseher gesessen und ihr langes Haar gebürstet. Das Bild ließ ihn lächeln, erfüllte ihn mit Wärme, bis Eddys schrilles Schluchzen das Bild verscheuchte.
Pat streckte die Hand nach ihm aus, um ihn zu trösten. »Nicht …«
»Dieses irische Arschloch … Ich weiß nicht, was ich tun soll …«
»Komm wir gehen und holen Toast oder so was.« Pats Stimme war ausdruckslos.
»Wir können ihn nicht mit dem verpissten Arschloch alleine lassen«, sagte Eddy und sah ins Wohnzimmer.
»Okay. Wir müssen los.« In seinen Gedanken hob Aleesha die Hand und berührte sein Gesicht - die Hand gab es nicht mehr, aber den Teil verdrängte er. Ihre Fingerspitzen berührten sein Gesicht, ihre hübschen
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