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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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die rote Haustür in der Blair Avenue vor sich. Sie öffnete die Augen, stand auf, trat an das abgesenkte Spülbecken und starrte sich im Spiegel an. Rote Augen, blaue Schatten darunter, Verbitterung zuckte in ihren Mundwinkeln. Sie sah allmählich schon genauso unzufrieden aus wie ihre Mutter.
    Sie brachte sich in Ordnung, vermied dabei jeden weiteren Blick in den Spiegel, strich sich das Haar aus dem Gesicht. Jetzt wasch dir die Hände. Sie drehte den Hahn auf und das Bild speckiger kleiner Finger unter klarem, fließendem Wasser sprang ihr vor Augen, die Finger zappelten neugierig, genossen das neue Gefühl. Sie schloss die Augen, warf den Kopf in den Nacken, öffnete die Augen wieder. Jemand hatte mit Kugelschreiber in winzigen Buchstaben »SSJ« neben den Spiegel an die Wand gemalt.
    Morrow schnaubte wütend, schöpfte Hände voll Wasser und warf sie dagegen. Sie zog grüne Papierhandtücher aus dem Spender, verteilte dabei einige auf dem Boden und
rieb an der Schrift. Ihre Wut verebbte und sie ließ davon ab. Der Schriftzug war ein kleines bisschen blasser geworden, aber nicht viel. SSJ. Ein Spruch, den Beamte brachten, wenn ihnen der Kampfgeist fehlte, eine Ausrede und Entschuldigung für schlampige Arbeit und Drückebergertum, das Ende der Ordnung. SSJ: So ein Scheißjob.
    Sie drückte etwas Handseife aus dem Spender und verteilte sie auf den Buchstaben, rieb erneut, diesmal mit feuchten Tüchern. Noch blasser. Sie wischte die blaue Seife von der Wand und hielt die Hände unter Wasser, um die Reste abzuwaschen, behielt dabei die Buchstaben im Blick, richtete all ihre Wut und Aufmerksamkeit darauf.
    Sie hob die verstreuten grünen Papierhandtücher auf, trocknete sich die Hände, entriegelte die Tür und stieß sie mit derart viel Schwung auf, dass sie von der Wand zurückprallte. Dann ging sie durch den Eingangsbereich zur ersten Schranke. Sie drückte auf die Klingel, starrte auf ihr Spiegelbild an der Wand, wusste, dass sie dort saßen und sie ansahen.
    Der diensthabende Sergeant musste ihn geschickt haben. Ein junger Polizist kam mit gequältem Gesichtsausdruck heraus. Sie zeigte auf die Toilette. »Waren Sie in letzter Zeit mal da drin?«
    Er hatte ganz entspannt dort hinten gesessen und nun brauchte er einen Augenblick um seine Stimmung der Situation anzupassen. »Wie bitte?«
    Morrow funkelte ihn ungehalten an.
    »Entschuldigung, ob ich wo war?«
    »In der Behindertentoilette. An der Wand.«
    Er runzelte die Stirn und sah zur Toilettentür. »Der Wand?«

    »Im Toilettenraum. Graffiti an der Wand. Waren Sie das?«
    Er wirkte eingeschnappt und Morrow hatte den Eindruck, dass genau dies das Problem mit dem Job heutzutage war. Er war nicht scheiße, aber niemand wollte sich mehr irgendetwas von irgendwem gefallen lassen, als ginge es um einen x-beliebigen Job, als würde man Computerteile oder so etwas verkaufen und als hätte jeder ausschließlich Rechte, aber keinerlei Verantwortung. Der Job war alles, was sie hatte. Wenn er scheiße war, dann war sie es auch.
    »Warum sollte ich?«, fragte er schlicht.
    Darauf fiel ihr keine Antwort ein. Natürlich war er es nicht gewesen, er mochte dumm, neu und jung sein, aber er würde keine Sachbeschädigung begehen, zumal er genau wusste, dass man ihn zuerst fragen würde.
    »Lächerlich«, sagte sie und musterte ihn von oben bis unten, obwohl ihr klar war, dass das unvernünftig war. Sie machte auf dem Absatz kehrt, hackte etwas in das Eingabefeld an der Sicherheitsschleuse zum CID, drehte sich noch einmal um und schob die Tür mit dem Hintern auf. Sie zeigte auf den Toiletteneingang und rief zum Empfangsschalter gewandt: »Lassen Sie das saubermachen!«
    Der Empfangsbulle nickte, nuschelte ihr hinterher: »Ja, Ma’am.«
    Die Tür schlug hinter ihr zu, und sie spähte den Gang des CID entlang. In MacKechnies Büro am hinteren Ende war es dunkel, die Tür geschlossen. Er war nicht in seinem Zimmer, vielleicht nicht einmal im Gebäude. Zu ihrer Rechten sah sie, dass in ihrem eigenen Büro Licht brannte, die Tür stand offen. Scheiße. Sie senkte den Kopf und ging hin.
    Er saß an seinem Schreibtisch, im Anzug, die Haare penibel gewachst und gekonnt verwuschelt, er wirkte müde aber
professionell. Sein Elvisbecher stand auf dem Schreibtisch, neben seinem Ellbogen lag die leere Verpackung eines Müsliriegels.
    »Bannerman«, sagte sie, machte ihn damit auf ihre Anwesenheit aufmerksam. Seine Augen verengten sich boshaft, als er sie sah. »Morrow. Du hast mein Briefing

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