In der Stille der Nacht - Thriller
verpasst.«
»Ja …«, sagte sie ungewiss, »ich musste …«
»Ich möchte, dass du an meinen Briefings teilnimmst, wenn ich die Leitung eines Falls übernommen habe. Heute Morgen sind eine Million Anrufe eingegangen. Du kannst nicht einfach kommen und gehen, wann du willst.«
Das war ein Befehl, eine Anweisung sich unterzuordnen und aus dem Munde eines Gleichrangigen unangebracht. »Ich hab heute meinen freien Tag, Bannerman.«
Er hob die Hand, um ihren Redefluss zu unterbrechen, schloss die Augen und wandte den Kopf ab. »MacKechnie hat sämtliche freien Tage vorerst gestrichen. Du hast die E-Mail erhalten.«
Fassungslos sah sie zu, wie er aufstand und in das Ermittlungszimmer ging, seine Stopphand unerschütterlich gegen sie erhoben. Es waren immer die Softies, die später besonders hart drauf waren, dachte sie, die Arschlöcher, die so taten, als spiele die Befehlskette keine Rolle, nur damit sie das Gefühl hatten, dazuzugehören. Dafür mussten sie sich an anderer Stelle dann aber wieder durchsetzen, indem sie Menschen erniedrigten. SSJ.
Die Schreibtische im Ermittlungszimmer waren hufeisenförmig angeordnet. Fünf DCs saßen dort, telefonierten, studierten Akten und jeder einzelne von ihnen hatte einen Laptop vor sich. Drei gehörten gar nicht zu dieser Einheit; sie mussten extra angefordert worden sein, was bedeutete,
dass Gelder in den Fall flossen. Hochkarätig, finanziell gut ausgestattet, der Traum eines jeden Detective Sergeant.
Sie brauchte eine Minute bis sie MacKechnie entdeckte. Er stand an der Seite, funkelte sie wütend an. Morrows Gesichtsausdruck klarte bei seinem Anblick auf, aber er lächelte nicht zurück. Er hielt den Kopf gesenkt, als kämpfe er sich durch einen heftigen Hagelschauer, durchquerte den Raum und ging in sein Büro, Bannerman folgte ihm auf den Fersen.
Gewissenhaft schloss er die Tür hinter sich. Sie konnte sich das aufgeregte Kichern im Besprechungsraum vorstellen, die Blicke, die die DCs miteinander tauschten, tonlos denjenigen ihren Namen zuraunten, die sie nicht hatten sehen können und die wie alle anderen darüber spekulierten, weshalb MacKechnie, der bekannt dafür war, ständig alle in alles miteinzubeziehen, die Tür schloss, um sich mit ihr zu unterhalten.
Bannerman setzte sich nicht, überließ MacKechnie den Stuhl. Sie bewegten sich wie ein einziges Tier, sie hatten über sie gesprochen, beide zusammen, hatten sich gegenseitig in den Unmut über ihre Abwesenheit hineingesteigert und Dinge hineininterpretiert, die gar keine Rolle spielten. MacKechnie ließ sich schwer auf Bannermans Stuhl fallen, schürzte die Lippen und stieß einen gequälten Seufzer aus. Es muss eine Gratwanderung sein, das konnte sie sich vorstellen, seinen sanften Führungsstil mit ehrlicher Aggression in Einklang zu bringen. Sie stand entspannt vor seinem Tisch, hatte den Kopf überheblich geneigt.
»DS Morrow, mir ist bewusst, dass Sie mit meiner Entscheidung, was die Leitung des Falls betrifft, nicht einverstanden sind«, MacKechnie verengte seinen Blick, um das
Gesagte zu unterstreichen, »aber ich hätte niemals damit gerechnet, dass Sie versuchen würden, den Fall an sich zu reißen.«
»Sir, ich habe …«
»Wenn Abläufe allein aufgrund ihrer Sturheit beeinträchtigt werden, nur weil Sie sich benachteiligt fühlen …«
Damit hatte er sie unvorbereitet getroffen. Sie hatte damit gerechnet, dass man ihr vorwarf, sich wie ein Arschloch oder eine böswillige Idiotin zu benehmen, aber nicht damit, dass sie sich für ein Opfer hielt. »Sir …«
»Ich möchte Sie daran erinnern, dass es um ein Menschenleben geht.«
»Ich kooperiere doch«, sagte sie. »Ich wüsste nicht, was ich getan haben sollte. Ich habe das Briefing heute Morgen nicht absichtlich verpasst.«
MacKechnie schloss die Augen und rieb sich den Nasenrücken. Er war zu alt, um die ganze Nacht aufzubleiben, dachte sie, zu alt für alles andere außer Schreibtischarbeit. Er sollte sich in die Verwaltung zurückziehen und die wahren Polizisten in Frieden lassen. Diese kleinen Beleidigungen, die sie niemals aussprach, halfen ihr, den Kopf aufrecht zu halten und weiterhin geradeaus zu sehen.
»Sir, die E-Mail wegen unserer freien Tage habe ich nie erhalten und wenn …«
»Bannerman«, er fiel ihr ins Wort. »DS Bannerman hat sein Bestes getan, um Ihnen das Gefühl zu geben, hier willkommen zu sein, oder etwa nicht?«
Ihr Gesichtsausdruck blieb neutral.
»Oder etwa nicht?«
»Ja, Sir«, zischte sie leise. »Das
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