In der Stille der Nacht - Thriller
jemand im Haus, Parry?«
»… respektlos und so, reden über Gestank und so, wie sieht’s denn bei denen aus?«
»Komm Paul, wir sehen uns das mal an.« Das war wieder der erste Bulle, der Komiker.
Shugie machte den Mund auf. »Mein Kumpel - der … schläft seinen Rausch aus.«
»Gut, antworten Sie gefälligst, wenn wir mit Ihnen sprechen.«
»Komm wir gehen, bevor wir uns die Krätze holen.«
»Recht hast du … ekelhaft ist das.«
Sie gingen und Shugie brummte ihnen hinterher. Endlich schlug die Haustür zu.
Pat hob den Kopf von den Knien und flüsterte: »Ich kann nicht … meine scheiß Nerven machen das nicht mit«, erklärte er. »Eddy, ich weiß, du bist die Kontaktperson, aber mir blüht dieselbe Zeit im Knast und ich komm verdammt nochmal nicht damit klar.«
Eddy hob eine Hand, Pat erwartete, dass er wütend wurde, aber er wirkte selbst erschrocken. »Wir gehen, telefonieren, kommen zurück und dann bringen wir ihn woandershin.«
»Wohin?«
»Na ja, verfluchte Scheiße, das kannst du dir ja überlegen.« Jetzt wurde Eddy gehässig. »Lass dir was Besseres einfallen, wenn du schon so verdammt viel schlauer bist, als ich.«
»Breslin’s.«
Eddy blinzelte, sein Mund klappte auf und zu, während er überlegte, was er sagen sollte. Er leckte sich über die Lippen, war enttäuscht, dass Pat ein so viel besserer Ort eingefallen war. »Komm wir telefonieren.«
Der Imbiss war winzig, bestand aus wenig mehr als einer schmutzigen Tür und einer Tafel draußen, auf der angeschrieben stand, dass es hier Tee und Sandwiches gab. Pat ließ Eddy halten, weil er wusste, dass hier auch Zeitungen verkauft wurden.
Er überquerte den Bürgersteig, aufgeregt wie ein Verliebter, der eine Zufallsbegegnung arrangiert. Arbeiter in staubigen Jeans standen am Tresen. Der schwere Geruch von heißem Fett erfüllte den schmalen Raum. Pat versuchte sich ruhig zu geben und wandte sich dem Zeitungsständer zu. Sie sah ihn an.
Ein schlechtes Foto, körniger Kopf und Schultern mit einem
Handy aufgenommen, aber es war deutlich genug, dass er sehen konnte, was er hatte sehen wollen. Langes schwarzes Haar in der Mitte gescheitelt, eine große Nase, ein Höcker gekrümmt wie ein ihn anlockender Finger. Ein weißes perfektes Lächeln und ein Blick, der nur zu ihm sprach. Sie war verletzt, aber nicht tot. Im ersten Absatz stand, dass sie eine ehrbare Familie waren. Da sieht man mal wieder, wie viel die wissen, dachte Pat.
Auf dem Bild zog sie ein Gesicht, hatte die Wangen ein wenig aufgeplustert und zog eine Schnute, nicht kokett, einfach nur süß. Pat griff nach einem Exemplar und spürte, wie das raue Papier seine Fingerspitzen küsste, er nahm den Geruch im Imbiss plötzlich als süß wahr und das im Tageslicht auf der schmierigen Wand glänzende Fett erinnerte ihn an sprühende Funken. Dass es sie gab, machte die freudlose Gegenwart erträglich. Er faltete die Zeitung zusammen, klemmte sie sich unter, lächelte, so glücklich als wäre es ihr Arm, den sie bei ihm untergehakt hatte, und ging hinüber zum Tresen, bestellte zwei Sandwiches mit Eiern und Speck und zwei Dosen Limo, übergab dem entsetzlich verkaterten dicken Mann hinter dem Tresen das Geld.
Er las weiter, während die Sandwiches gemacht wurden. Ihr Name war Aleesha, sie war sechzehn, Schülerin an der Shawlands Academy, beliebt bei allen ihren Klassenkameradinnen. Pat hatte gewusst, dass sie beliebt war, er hatte es gewusst. Sie hatte mehrere Finger verloren und lag auf der Intensivstation im Victoria Krankenhaus. An dieser Stelle ließ er die Zeitung sinken, der Mund blieb ihm vor Staunen offen stehen. Er hatte gewusst, dass sie im Victoria Krankenhaus sein würde. Er hatte es einfach gewusst. Es war, als gäbe es irgendwie eine Verbindung zwischen ihnen, als
hätte er den Ort erraten, an dem sie sich wiedersehen sollten.
Er las über ihre entsetzlichen Verletzungen an der Hand und fühlte mit ihr wegen der Schmerzen und der furchtbaren Entstellung, mit der sie fortan würde leben müssen, aber tief in seinem Innersten war er froh, dass er auf sie geschossen hatte, denn jetzt war sie nicht mehr perfekt und unerreichbar für ihn. Und jetzt gab es ein Foto auf der Titelseite der Zeitung und er konnte sie ansehen, wann immer er wollte.
Die Sandwiches kamen und er nahm sie in einer fetttriefenden Papiertüte mit hinaus zum Wagen. Eddy hatte ihm gesagt, er solle vorsichtig sein und nichts verschmieren; es war ein Mietwagen und sie würden eine Zusatzgebühr
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