In der Stille der Nacht - Thriller
eine Mutter in förmlicher Pose, stattdessen hingen dort Fotos von Lander in Militäruniform, die ihn mit ebenfalls uniformierten Freunden zeigten.
»Waren sie beim Militär?«, fragte sie ganz nebenbei. Bannerman sah auf, interessierte sich plötzlich dafür.
»Ja.« Landers Tonfall war kurz angebunden. »Zwanzig Jahre bei den Argyll and Sutherland Highlanders. Zehn Jahre beim First Battalion und dann weitere zehn in der E Company.« Als hätte er ihre Vorbehalte gespürt, sagte er: »Die E Company gehört zur Territorial Army.«
Auch auf sie übten Befehlsstrukturen eine ungeheure Anziehungskraft aus. Auch sie hatte mit dem Gedanken gespielt, zur Armee zu gehen. »Sehr engagiert«, sagte sie.
»Ja«, sagte er und dachte darüber nach. »Ja.« Mit flachen Händen tätschelte er sich die Knie und wandte sich an Bannerman. »Also, erzählen Sie mir von Mr Anwar. Wissen Sie, wer ihn entführt hat?«
Eigentlich durften sie keine Informationen herausgeben, aber wenn eine undurchdringliche Mauer entstand, war dies der Befragung auch nicht zuträglich, deshalb versuchte ihm Bannerman entgegenzukommen. »Nun, Mr Lander, ich bin sicher, Sie haben Zeitung gelesen. Wir können wirklich nichts anderes sagen, als das, was dort bereits stand …«
»Also wurde er von bewaffneten Gangstern verschleppt, die Lösegeld fordern?«
»Ja …«
»Und Aleesha wurde in die Hand geschossen?«
»… ich darf Ihnen sagen, dass Mr Anwar gestern Abend entführt und ein Lösegeld gefordert wurde. Wissen Sie etwas darüber?«
»Abgesehen von dem, was im Radio kam«, Lander atmete schwer durch die Nase, als müsse er starke Gefühle im Zaum halten, »weiß ich nur, dass ich heute Vormittag einen Anruf von seinem Cousin bekam«, er sprach das Wort missbilligend aus, »der mir erklärte, ich würde heute Vormittag nicht gebraucht, weil Mr Anwar verhindert sei. Ich musste mir die Informationen selbst zusammensuchen. Er ist jetzt da.« Er nickte aus dem Fenster. »Jetzt. Führt den Laden für ihn.«
Bannerman fuhr fort: »Ist Mr Anwar beliebt? Bei den Anwohnern?«
»Beliebt?« Landers Augen suchten den Teppich ab. »Na ja, in dem Laden verkehren viele Leute.«
»Immer dieselben?«
Er nickte. »Meist sind es immer wieder dieselben. Direkt davor ist eine Bushaltestelle, da holen sich die Leute auf dem Heimweg noch schnell eine Zeitung, aber abgesehen von den Stoßzeiten morgens und abends wohnen die meisten seiner Kunden hier, ja.«
»Wie lange arbeiten Sie schon dort?«
»Ungefähr vierzehn Jahre. Knapp vierzehn Jahre.«
»Und welche Schichten haben Sie übernommen?«
»Ach.« Er verdrehte die Augen zur Decke. »Nun, ich fange um halb sieben morgens an und höre um halb eins auf. Aber oft bleibe ich länger oder komme am Nachmittag nochmal rein, helfe ihm, wenn um die Mittagszeit viel los ist und stocke die Regale auf und so was. Manchmal gehe ich auch hin und höre mit Mr Anwar die Cricketübertragungen.«
Morrow schaltete sich ein: »Sie sind also mit ihm befreundet?«
»Oh ja«, sagte Lander ernst, »wir sind sehr gut befreundet.«
»Bekommen Sie Ihre Überstunden bezahlt?«
Landers Gesichtsausdruck versteinerte. »Nein. Ich werde für meine Schicht am Vormittag bezahlt. Wenn ich Herrn Anwar außerdem noch aushelfe, geschieht das als Geste der Freundschaft.«
»Sie machen das aus Loyalität?« Sie hatte es als Kompliment gemeint, aber er schien sich auf sie eingeschossen zu haben.
Mit unbeweglicher Miene sagte er: »Und aus Freundschaft.«
»Wir stellen Ihnen nur Fragen, Mr Lander.« Ihre Stimme war sanft. »Meine Aufgabe ist es, Mr Anwar zu finden und ihn wohlbehalten wieder zurückzubringen. Ich nehme das sehr ernst.«
»Gut«, sagte er und blinzelte. Plötzlich begriff sie, dass er entsetzliche Ängste um seinen Freund ausstand.
»Wie viel bekommen Sie die Stunde?«
Lander war die Frage ein bisschen peinlich. »Ich bekomme zweihundert Pfund die Woche, pauschal, egal wie viele Stunden ich arbeite.«
»Verstehe«, sie notierte es sich. »Nicht besonders viel für eine Dreißigstundenwoche.«
»Sechsunddreißig. Manchmal auch zweiundvierzig, wenn ich die ganze Woche arbeite, aber das passt mir gut«, sagte er schlicht.
»Inwiefern?«
»Die Arbeitszeiten, der Ort und die Firma.«
»Sie verstehen sich also gut?«
Er sprach, als lieferte er eine zuvor vorbereitete Rede ab und hielt über ihre Schulter hinweg Ausschau nach weiteren Zuhörern. »Mr Anwar und ich sind seit vierzehn Jahren befreundet. In dieser Zeit
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