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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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ob er überhaupt zuhörte.
    »Bob. So hieß der bei dir.«
    »Ich hab ihn niemals Bob genannt.«
    »Ich meine nicht dich persönlich, Ibby, ich meine bei euch.«
    Er suchte mit der Zunge etwas in seinen Zähnen, konnte es aber nicht erwischen und nahm den kleinen Finger zu Hilfe. »Hm …«
    »Bob?«

    »M-hm.« Er stimmte ihr zu. »Manche Leute haben ihn Bob genannt.«
    »Nur manche?«
    Ibby sah zu ihr auf. »Nein«, sagte er vorsichtig.
    Sie begriff. »Okay. Möchtest du was zu den Ereignissen gestern Abend sagen?«
    »Weißt du was, ihr müsst ja ganz schön in der Scheiße stecken, wenn du hierherkommst.«
    »Wir könnten auch zu den Gemeindebeauftragten gehen, aber die würden uns einen Haufen Mist erzählen, du weißt ja.«
    »Welche Gemeindebeauftragten? Wir sind die Gemeindebeauftragten.« Die Männer um ihn herum nickten selbstzufrieden. »Ach, oder meinst du etwa Gemeindebeauftragte vom Amt? So was wie Abgeordnete oder Gemeinderäte, oder so?« Die Männer lächelten, weniger über das, was er sagte, als über seinen Tonfall. Ibby hatte Spaß. Sie fragte sich, ob er wusste, dass er von Arschlöchern umgeben war. »Also, wir sind eine Gemeinde und wir haben hier das Sagen, wir hier an diesem Tisch.« Er drückte seinen Finger fest in das flache Brot. »Dieser Tisch ist eine Gemeinde.«
    Er redete Scheiße, deshalb ergriff sie die Chance und unterbrach ihn: »Ja, klar, so oder so, weißt du, was da gestern Abend los war, oder nicht?«
    »Ich weiß nichts«, sagte er kurz und meinte es auch so.
    Er blickte auf, um zu sehen, ob sie es ihm abnahm. Es lag vor allem an der Perspektive, daran, dass er zu ihr hochsah. Sein Gesicht war breiter geworden, dunkler, aber die Augen waren dieselben. Dunkelbraun, groß. Sie sah Ibby jetzt gar nicht mehr, sondern nur das Kind, das in der fünften Klasse neben ihr gesessen hatte, der kleine Junge, der sich ständig
kratzte und für sein Alter zu klein war. Damals hatte sie ihn auf unerklärliche Weise sehr gemocht, ihm helfen wollen, wenn ihm Lehrer Fragen stellten, obwohl er nie etwas wusste. Er war nur kurz auf ihrer Schule gewesen. Als er um ein Haar beinahe einen Jungen umgebracht hätte, wurde er weggeschickt.
    Der Junge war in derselben Jahrgangsstufe wie sie beide gewesen und hatte was mit Ibbys Schwester. Wahrscheinlich stand er auf das Mädchen, dachte Morrow rückblickend, aber er war ungefähr einen Monat früher als die anderen in diese Phase gekommen und die Art, wie er hinter ihr her war, wirkte bizarr. Ibby fand es bedrohlich. Morrow sah noch Ibbys Finger in den Haaren des Jungen. Seine dunkelbraunen Augen waren feucht, als er die gebrochene Nase des Jungen auf den Asphalt des Spielplatzes presste.
    Damals hatte sie ihn voll und ganz verstanden, seine übertrieben brutale Reaktion. Das Sozialamt schaltete sich ein, hörte sie später, und Ibby wurde weggebracht und kam nie wieder. Alle hatten Angst vor dem Sozialamt, alle Kinder, die dort standen, die Arme hängen ließen und Ibby seelenruhig zusahen, alle, deren Eltern später nicht in die Schule kamen, nicht wissen wollten, was passiert war. Sie hielten sich bedeckt, denn wer auffiel, verschwand. Als die Lehrer kamen und Ibby wegschleppten, war es Alex, nach der er die Hände ausstreckte. Es gelang ihr, sich zwischen den Beinen der Lehrer hindurchzuschlängeln und einen Moment lang seine Hand zu berühren. Fingerspitzen, die sich im Gewühl der Beine trafen. Er hatte sich die Fingerknöchel aufgeschürft.
    Morrow sagte: »Aamir Anwar ist ein netter Mann, oder?«
    Mit einem angedeuteten Kopfnicken und einem Blick auf
die Tischplatte räumte Ibby ein, dass Aamir tatsächlich okay war.
    »Keine Gerüchte, von denen du mir erzählen willst?«
    »Weiße Männer, Glasgower Akzent. Mit uns haben die nichts zu tun.«
    »Du hast aber doch Kontakte.«
    »Du auch.« Er lächelte sein Essen an und heckte im Kopf einen Plan aus. »In welchem Revier arbeitest du jetzt?«
    Die Young Shields waren bloß bescheuert. Sie lieferten sich immer noch Bandenschlägereien auf der Straße. Es ging immer noch um Gebietsstreitigkeiten, aber sie arbeiteten nie professionell und nahmen auch kein Geld ein. Vielleicht wollte er andeuten, dass er gerne eine korrupte Polizistin auf seiner Gehaltsliste gehabt hätte, aber Morrow war ziemlich sicher, dass Ibby gar keine Gehaltsliste führte.
    »Hier und da«, sagte sie. »Ich komme rum.«
    Er grinste. »Vielleicht besuche ich dich mal auf der Arbeit.«
    Eigentlich hatte er es nicht zu ihr

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