In der Stille der Nacht - Thriller
Metallstufen hinauf, sie traten ihm in die Fersen, damit er seine Füße hob, und dann durch einen Türeingang mit einer Schwelle.
Ein Zimmer war das nicht. Die Luft roch nach Eisenstaub. Das Geräusch seiner Schritte wurde geschluckt. Das Geräusch seines eigenen Atems aber hallte ihm entgegen wie Schüsse aus einem Hinterhalt. Aamir versuchte schlau daraus zu werden: Der Boden war gewölbt, er stand in einem
großen Stahlrohr. Wenn er unter seinem Kissenbezug hindurch nach unten sah, erkannte er im Licht, das durch den Türspalt fiel, nur einen bröckelnden Rostteppich, rote Blätter, die unter seinen Füßen zu Staub zerfielen, so rot wie die Straße nach Entebbe.
Seine Arme wurden losgelassen, die Männer zogen sich zurück. Aamir drehte sich nach ihnen um, hob die Hände in Erwartung des bevorstehenden Endes. Sie traten auf die Eisenstufen, einer von ihnen stieg hinunter, ein anderer zog etwas hinter sich her. Etwas aus Metall. Eine schwere Stahltür, der Rost widersetzte sich den Bemühungen sie zuzuziehen.
Nein. Sie mussten ihn töten.
Aamir trat einen Schritt auf sie zu, streckte die Hände aus, ein Bettler. Sie konnten ihn nicht dort lassen mit dem brennenden Bedürfnis zu gehen.
»BITTE …« Er trat ihnen entgegen, aber die Tür schlug zu. Alles versank in Dunkelheit. Draußen vor der Tür wurde ein Riegel vorgeschoben. Sie wollten ihn hierlassen.
Leichtfertig riss sich Aamir den Kissenbezug vom Kopf, um sie zum Handeln zu zwingen, doch es machte keinen Unterschied: Die Dunkelheit war undurchdringlich. Er hörte entfernt die hallenden Schritte der Männer.
Wieder war er Kind, unterwegs zum Flughafen, eine Hand ruhte auf dem heißen Plastik des Rücksitzes und es roch nach Zigarillos. Er war im Taxi geblieben und hatte sie ihnen überlassen, nur damit er leben konnte, er hatte das Lachen der Männer gehört, die sie fickten und einander dabei zusahen. Sinnlos. Er konnte seine Mutter nie wieder berühren, ihr nie verzeihen, würde sich jeden wachen Moment seines Lebens beschmutzt und erschöpft fühlen. Er
hatte ihre Ehre für ein Leben hingegeben, das er gar nicht wollte.
Aamir warf den Kopf in den Nacken und schrie, ersticktes Gebrüll hallte durch die brutale tintenschwarze Dunkelheit und zwang ihn in die Knie.
23
Wenn sie ihn erwischten, würde er sagen, er habe es vergessen. Habe vergessen zu Hause zu bleiben. Kein Ding, trotzdem lief Shugie schneller als sonst und hielt den Kopf gesenkt, als könnte man ihn nicht an seinem weißen Haar erkennen, als sei er nicht der einzige Mann in einer grellblauen Bomberjacke aus Leder auf dem Weg zu Brian’s Bar und als könnte er sich durch reine Willenskraft unsichtbar machen.
Trotzdem war er erleichtert, als er auf die am Eingang versammelten Raucher zutrat und seine Finger die vertraute Glasscheibe der schmutzigen Schwingtür berührten. Er betrat Brian’s, die Schutzplättchen an den Sohlen seiner Cowboystiefel klapperten auf dem Steinfußboden und er ging zur Bar. Ein freier Platz.
Senga bediente, ihre Hände waren so sanft wie ihre Augen. Sie trug ausschließlich T-Shirts, die sie umsonst bekam, entweder im Großmarkt oder von einer Brauerei. Heute hatte sie eines mit einem Kreis drauf an, irgendwas mit Krebsvorsorge. Es saß zu eng an der Hüfte und an der Schulter zu weit. Sie aß Chips mit Käse und Zwiebelgeschmack, zog langsam die Hand aus der knisternden Tüte, riss den Mund auf, damit die ganze Hand voll auf einmal hineinpasste und behielt mit schweren Augen den Tresen im Blick, achtete auf Kundschaft, besonders auf Leute die Ärger suchten, aber sie verurteilte niemanden.
Ohne Anstalten zu machen, auf ihn zuzugehen und ihn zu begrüßen, schob sie das Kinn vor, womit sie ihn fragte, ob er haben wollte, was sie dachte, das er haben wollte. Shugie zwinkerte ihr ein Ja zu. Sie schwankte träge zu den Zapfhähnen und zapfte ein halbes Starkbier, schenkte einen billigen Whisky dazu ein und zuckelte wieder zurück, trocknete die klebrige Stelle vor Shugie auf dem Tresen mit einem fleckigen Tuch und stellte die Getränke ab.
Der Zwanzigpfundschein machte Eindruck bei ihr und sie verbarg ihr Erstaunen nicht. Sie nickte den Schein ehrfürchtig an und hielt ihn ins Licht um sicherzugehen, dass er echt war. Als sie ihm das Wechselgeld gab, berührte sie Shugies Hand. Das tat Senga nicht immer.
Shugie sah auf die Drinks, die vor ihm in den Gläsern glitzerten, wie in den alten Zeiten, den guten alten Zeiten. Als er noch Geld in der einen Tasche
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