In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
Groff ruft zurück.
»Hey, hallo, Peter Harris. Was gibt’s?« Er klingt erschreckend jung.
»Sie wissen doch, dass Bette sich zurückzieht, oder?«
»Yeah. Großer Mist.«
»Ich mag Ihre Arbeiten.«
»Danke.«
»Kann ich Sie demnächst mal abends zum Essen einladen?«
»Klar.«
»Wie sieht’s denn mit Ihrem Terminplan aus?«
»Diese Woche ziemlich beschissen.Vielleicht am Mittwoch in einer Woche.«
»Das wäre bestens. Aber hören Sie. Ich habe eine sehr gute Kundin, die möglicherweise sofort ein Stück kaufen möchte, und sie gibt eine Party für ein paar andere Leute, die eine Menge Kunst kaufen. Wenn Sie interessiert sind, könnte ich als Berater fungieren. Das würde nicht heißen, dass ich Ihr neuer Händler bin, es gäbe keinerleiVerpflichtungen, niemand würde es Ihnen übelnehmen, wenn Sie zu jemand anders gehen.Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diesen Verkauf für Sie hinkriegen könnte, und es könnte sehr wohl zu weiteren führen.«
»Das klingt gut.«
»Ich denke es mir folgendermaßen. Lassen Sie uns bei dem Essen am Mittwoch in einer Woche bleiben, aber ich könnte vorher raus zu Ihrem Atelier kommen, und dann können wir darüber reden, was für meine Kundin das Richtige sein könnte.«
»Ich habe im Moment nicht viele Arbeiten, die ich Ihnen zeigen kann.«
»Was haben Sie?«
»Ich habe zwei neue Bronzen. Und ein paar Terrakotta-Sachen, mit denen ich rumspiele, aber die sind noch nicht richtig fertig.«
»Ich würde mir gern zwei neue Bronzen ansehen.«
»Okay. Wollen Sie morgen Nachmittag herkommen?«
»Klar.Wann passt es Ihnen?«
»Wie wär’s um vier?«
»Vier ist gut.«
»Ich bin in Bushwick.«
Er nennt die Adresse. Peter schreibt sie auf.
»Dann bis morgen um vier.«
»In Ordnung.«
Drei neue E-Mails. Eine von Glen.
PETER, MEIN LIEBER, KEINE GEHEIMNISSE UNTER EHREN-MÄNNERN, ICH HABE EIN ANGEBOT VON WOANDERS, DAS ICH LIEBER NICHT ANNEHME, WEIL DU MEIN TYP BIST, ABER DIESE LEUTE SIND SEHR SCHARF AUF MEIN ZEUG, UND JETZT NOCH DIE BIENNALE, UND DU WEISST SCHON, ICH HABE DAS GEFÜHL, DASS SICH FÜR MICH ALLMÄHLICH WAS TUT, WAS ICH NICHT GANZ GLAUBEN KANN, WEIL, DU WEISST SCHON, PROBLEME MIT DEM SELBSTWERTGEFÜHL UND SO – JEDENFALLS LIEBE ICH DICH UND FRAGE MICH, OB WIR IRGENDWANN IN NÄCHSTER ZEIT MAL LUNCHEN UND REDEN KÖNNEN. WAS SAGST DU DAZU, MEIN FREUND? XXX
Hm. Peter ist also jemand, den ein junger, halbbekannter Künstler meint unter Druck setzen zu können.
Keine Panik, nicht mal ein bisschen. Glen ist ein guter Maler, auf den vermutlich irgendeine Ladengalerie in Williamsburg aufmerksam geworden ist (vorausgesetzt, er blufft nicht), und wirklich, er ist ein unwahrscheinlicher Kandidat für die Biennale – Gerüchten zufolge wollen die Kuratoren diesmal fast nichts als Skulpturen, Installationen und Videos zeigen.
HEY, GLEN, ICH BIN IN DER TAT DEIN FREUND, LASS UNS UNBEDINGT ZUSAMMEN LUNCHEN UND ÜBER DEINE STRAHLENDE ZUKUNFT SPRECHEN. ICH HÄNGE DIESE WOCHE DIE NEUE AUSSTELLUNG, WIE WÄR’S IRGENDWANN NÄCHSTE WOCHE? DEIN P.
Okay, Glen. Mal sehen, ob ein netter Lunch und mein hochheiliger Schwur, dir ein Leben lang die Treue zu halten, etwas bringen. Wenn nicht: gehe in Frieden.
Oder …
Wenn du Groff wirklich an Land ziehen kannst …
Sei ehrlich, die Saison mit Groff im vorderen Teil der Galerie zu eröffnen wäre großartig. Im September soll in Art of America ein Artikel über ihn erscheinen, und es ist zumindest halbwahrscheinlich, dass Newton vom MoMA eine Arbeit kaufen wird, Groff ist etwas fürs MoMA – solide und todernst.
Peter kann es spüren – er wird regelrecht aufgedreht wegen Groff. Ja, richtig, man kann die Monumentalität in Frage stellen, die Kostbarkeit (im buchstäblichen Sinn), die ganze Idee von einer Rückkehr der Kunst zum Schatz, zu dem, was gehämmert und verziert ist, wunderschön gemacht, für Paläste und Kathedralen gedacht. Die Arbeiten sind jedoch wahrhaft pervers – deine Tante Mildred würde aus einer gewissen Entfernung sagen, na, das ist ja etwas Zauberhaftes, aber wenn sie es sich genauer anschaut, wird sie die eingravierten Namen eines jeden afrikanischen Arbeiters sehen, der in einer Diamantenmine gestorben ist (Groff muss zumindest einige erfinden, genaue Unterlagen werden sicher nicht geführt), sie wird Auszüge aus dem Tagebuch des Unabombers sehen, Autopsieberichte zu Gefängnisselbstmorden und perfekt gemachte Fetischpornographie, sowohl schwul als auch hetero, alles akkurat in Hieroglyphen
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