In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
angeordnet. Dazu bestimmt, in zehntausend Jahren ausgegraben zu werden.
Und außerdem, haben wir die ganze aus Schnüren und Alufolie gemachte Kunst nicht ein bisschen satt, die sich übrigens für wahnwitzige Summen verkauft? Sind wir nicht in einen Bereich geraten, in dem Schrott de facto als Schatz behandelt wird?
Wenn er Groff an Land zieht …
Wie beschissen wäre es, die Lahkti-Ausstellung zu verlegen? Oder ihn darum zu bitten, den hinteren Teil der Galerie zu nehmen? Peter könnte den hinteren Teil freibekommen, wenn er Glen dazu ermuntern würde, das Angebot von diesem Neuling in Williamsburg anzunehmen, ich meine, Glen, du bist im Kommen, du solltest bei jemandem sein, der ein bisschen trendiger ist als ich …
Es wäre beschissen. Es würde sich auch herumsprechen.
Und es würde heißen …
Dass Peter Harris sich als ein Mann erweist, der etwas bewirken kann. Peter Harris kann sich einen jungen Star von Bette Rices nicht mehr existierendem Geschäft schnappen und ihm die aller Wahrscheinlichkeit nach spektakulärste Ausstellung in diesem Herbst ausrichten. Ja, es würde Peters Ruf bei manchen Künstlern schaden. Bei manchen Künstlern. Andere, einige der ehrgeizigeren (darunter sicherlich Groff), wären beeindruckt. Wenn du heiß bist, wenn du Potential hast, kann Peter tun, was nötig ist, um dich jetzt groß rauszubringen.
Das Magendrücken will einfach nicht vergehen. Was sind die Symptome von Magenkrebs? Gibt es Magenkrebs überhaupt? Okay, mach einen Schritt nach dem anderen. Im Moment hast du mit Groff lediglich einen Atelierbesuch und eine Verabredung zum Abendessen.
Weitere E-Mails. Weitere Voicemails.
Und dann das lange Befürchtete: dem Geräusch nach ein Unfall in der Galerie. Ein Scheppern, ein Knall,Tyler, der »Dreck« schreit.
Peter rennt los. Dort, mitten in der Galerie, stehen Tyler, Uta und Tylers Helfer, Branch und Carl. Dort am Boden ist das Opfer: eines der verpackten Gemälde, diagonal aufgeschlitzt, ein sechzehn, siebzehn Zentimeter langer Schnitt.
»Was zum Teufel?«, sagt Peter.
»Ich kann’s nicht fassen«, ist alles, was Tyler zu bieten hat.
Uta, Branch und Carl haben sich wie Trauernde um das Bild aufgebaut. Peter läuft hin, geht in die Hocke und begutachtet den Schaden. Es ist nicht mehr und nicht weniger als ein Schlitz, etwa siebzehn Zentimeter lang, der sich von einer Ecke der Leinwand zur Mitte hinzieht. Er ist chirurgisch genau.
»Wie ist das passiert?«, fragt Peter.
»Ist mir weggerutscht«, antwortet Tyler. Er ist nicht besonders zerknirscht. Er ist allenfalls mürrisch – warum sollte das gottverdammte Ding so aufgerissen werden wollen?
»Er hatte ein Teppichmesser in der Hosentasche«, sagt Uta. Sie hält sich zurück. Obwohl sie durchaus fuchsteufelswild werden kann, wenn es die Gelegenheit erfordert, ist so etwas wie das hier Peters Aufgabe. Sie denkt bereits an die Versicherungsbedingungen.
»Du hast die Ausstellung mit einem Teppichmesser in der Hosentasche abgehängt?«
»Ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich hab’s bloß kurz in die Tasche gesteckt und irgendwie vergessen.«
»Aha«, sagt Peter und ist überrascht, wie ruhig er klingt. Es kommt ihm kurz so vor, als ließe sich das hier ungeschehen machen, weil es so offensichtlich geschehen musste. Bette Rice hat tatsächlich Krebs, Krebs im Endstadium, und Tyler ist tatsächlich mit einem Teppichmesser in der Tasche herumgelaufen, weil Peter seine Assemblagen und Collagen nicht zu schätzen weiß. Es ist Peters Schuld, er hat es kommen sehen. Nein, Rex ist schuld. Rex und sein gottverdammtes endloses Defilee junger Genies, die ausnahmslos schlanke, tätowierte junge Männer und niemals echte Genies sind, auch wenn Rex weiter darauf besteht, weiter ihr »Mentor« ist, und es ruiniert seine Karriere, es macht ihn zu einem Witz.
Uta sagt: »Es ist eins von denen, die sich nicht verkauft haben.«
Peter nickt. Das ist natürlich besser.Aber es ist ganz und gar nicht gut, wenn sich herumspricht, dass in Peters Räumen Kunst zerstört wird.
Tyler sagt: »Mann, es tut mir wirklich leid.«
Peter nickt erneut. Brüllen nützt nichts. Und wirklich, er kann Tyler nicht auf der Stelle feuern. Die Ausstellung muss heute abgehängt werden.
»Mach dich wieder an die Arbeit«, sagt Peter leise. »Versuch daran zu denken, nichts Scharfes in deine Taschen zu stecken.«
Verflucht noch mal, er wird Rex umbringen. Lüsterne alte Schwuchtel.
Uta sagt: »Bringen wir’s nach hinten.«
Peter allerdings
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