In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
verließ, warf er einen kurzen Blick auf Missy, der noch nicht ganz beruhigt zu sein schien, der mit einem Glas Wein am Tisch saß und so jung aussah und schuldbewusst und … was? … tragisch, tragisch auf eine Art und Weise, wie sie nur den Jungen zusteht, den Jungen und Selbstzerstörerischen (wie will Peter Rebecca beibringen, dass Missy wieder Drogen nimmt?), das heißt, jedem, der jung genug ist, um vorzeitig unterzugehen; es ist ganz anders als bei den Tragödien des Alters, selbst des mittleren Alters, wenn jedes Anzeichen des Untergangs bereits von der Schwerkraft, von diversen Wunden, von dem schlichten, einen in den Wahnsinn treibenden Unvermögen, jung zu bleiben, überschattet wird. Jugend ist die einzige Tragödie, die sexy ist: James Dean, der in seinen Porsche Spyder springt, Marilyn, die zu Bett geht.
Um Mitternacht hat Peter so viele Stunden als falscher Genesender im Bett verbracht, dass er befürchtet, er könnte sich wund liegen, was natürlich lächerlich ist, aber es könnte in der Tat etwas zurückbleiben, zumindest im Hirn, fällt es ihm doch schon schwer genug, auf sich zu achten, wenn er richtig krank ist; einen halben Tag herumliegen, wenn er (relativ) gesund ist, findet er nahezu unerträglich. Rebecca schläft jetzt neben ihm, Missy hat sich in sein Zimmer zurückgezogen. Peter liegt bei seiner atmenden Frau. Von der anderen Seite der dünnen Wand kommen keinerlei Geräusche. Peter fragt sich: Liegt Missy in einem ähnlichen Zustand da, hellwach, aber stocksteif, nervös, weil Peter ungeachtet seiner Beteuerungen, er sei komplett weggetreten gewesen, etwas gehört haben könnte? Peter stellt sie sich, ihn und Missy, kurz als mittelalterliche Grabbildnisse vor, als Waffenbrüder; wenn Missy heute Nachmittag wie die idealisierte Skulptur eines Kriegers gewirkt hat, so sieht Peter sie jetzt beide in ihren Sarkophagen nebeneinanderliegen, so sicher, wie es nur die Toten sein können, den älteren und den jüngeren Mann, gemeinsam in einer Schlacht gefallen, die auf einem umstrittenen Stück Land ausgetragen wurde, auf dem sich jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach ein Parkplatz oder eine Einkaufszeile befinden, doch er und Missy bleiben genau so, wie sie waren, als das Land eine unermessliche Beute war und die Mönche sie beide hinbetteten, neue Angehörige der Ewigkeit, Bewohner einer verschwundenen Welt, die nicht leichter als die derzeitige, aber weder kitschig noch protzig war; eine Welt voller Wälder und Sümpfe, dünn besiedelt, in der Männer zuhieben, kämpften und ihre Schilde aneinanderschlugen, wenn es um den Besitz einer Gemarkung ging, die noch Feldfrüchte hervorbringen konnte, von Wäldern, in denen noch Götter und Monster aus den Schatten spähten. Missy hat etwas, das auf das Mittelalter verweist, es ist diese blasse, feingliedrige Schönheit, die traurigen Augen, das Gefühl (Peter muss ständig daran denken), dass er vergänglich ist, er ist das Missgeschick, er ist das Geisterkind, das sich nicht so fest an die Welt binden kann wie die meisten anderen Menschen.
Peter wird Rebecca natürlich erzählen, dass ihr kleiner Bruder einen Drogendealer hat herkommen lassen. Wie könnte er das nicht tun? Er hätte es ihr heute Abend erzählt, aber … was? Aber da war seine Scharade, als er den Kranken markierte, sich hineinsteigerte, und es war verführerisch, wie ein Invalide behandelt zu werden, ohne die Unannehmlichkeiten einer wirklichen Krankheit. Und so hat er sich gestattet, das lange, qualvolle Gespräch mit seiner Frau um eine Nacht zu verschieben, all diese Fragen, was zu tun sei. Sie können Missy gegen seinen Willen (sie haben sich erkundigt) nicht in ein Heim einweisen lassen, und sie können ihn jetzt, da er wieder Drogen nimmt, nicht hinauswerfen, oder, das wäre so, als schickte man ein Kind allein in die Wälder, aber sie können ihn auch nicht bleiben lassen, oder, nicht wenn er Dealern ihre Adresse gegeben hat. Und Missy hat natürlich wie jeder Abhängige keinerlei Verhältnis zur Wahrheit in irgendeiner Form, er könnte schwören, nie wieder von diesem Loft aus Drogen zu kaufen, er könnte zittern und weinen und um Verzeihung bitten, und es hätte nicht das Geringste zu bedeuten.Verfluchte Taylors.Weil sie, seien wir ehrlich, für das hier leben, sie lieben es, sich um Missy Sorgen zu machen, es ist der Zeitvertreib der Familie, und wirklich, wer wollte es Peter, nachdem er sich dieses falsche Leiden zugestanden hat, verübeln, dass er, wenn auch nur für
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