In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
wir ein ernstes Gespräch führen?« sagt sie. »Willst du ein ernstes Gespräch führen?«
Nein. Das ist das Letzte, was ich will.
»Klar«, sagt er. »Wenn du es willst.«
»Bist du dir sicher?«
»Ich bin mir sicher.«
Sie sagt: »In letzter Zeit habe ich oft an Unsere kleine Stadt gedacht.«
»Deine letzte Schulaufführung.«
Sie hatte die Mutter gespielt. Nicht Emily. Lass den Gedanken sein.
Bea in der Highschool – ein solides und ironisches Mädchen mit zwei guten Freundinnen (jetzt am Brown und in Berkeley), keine Jungs, soweit erkennbar, ein junges Leben nicht ohne Freuden, aber in keinster Weise ausschweifend, nicht einmal ein bisschen leichtsinnig. Lange, ernste Gespräche mit den Freundinnen, dann Hausaufgaben und ab ins Bett. Sie und die Freundinnen (sie hießen Sarah und Elliot, waren ebenfalls solide und ironisch, Peter mochte sie, wird er sie jemals wiedersehen?) gingen am Wochenende ins Kino, kauften sich manchmal dicke Pullover und Schnürstiefel, ihr Lieblingsoutfit. Einmal waren sie Schlittschuhlaufen, im Wollman Rink, aber nie wieder.
»Du hast so desinteressiert gewirkt«, sagt sie.
»Nein. Ich fand dich großartig.«
»Das hast du mir nicht gesagt. Du hast die ganze Zeit telefoniert. Irgendein Geschäft, das du abwickeln musstest.«
Hat er das getan? Wirklich? Nein. Sie erfindet das. Er hat ihr gesagt, dass sie großartig war, er hat genau dieses Wort gebraucht, und er hat nach der Aufführung nicht telefoniert, was für ein Mann würde das tun?
Sie sagt: »Ich weiß, dass es irgendwie jämmerlich ist, aber ich habe in letzter Zeit daran gedacht.«
»Ich habe das nicht so in Erinnerung.«
»Ich schon. Ich kann mich genau erinnern.«
Das ist eine falsche Erinnerung , Bea. Glaubst du, glaubst du tatsächlich, dass ich nach der letzten Schulaufführung meiner Tochter in die Garderobe gehe und am Handy mit einem Kunden spreche?
»Wow« ist das Beste, was ihm einfällt. »Hey, wenn ich nicht das Richtige gesagt habe, tut es mir leid. Ich fand dich großartig.«
»War ich nicht. Das ist es ja. Ich konnte nicht spielen, und wir beide wussten es.«
»Nein, nein«, sagt Peter. »Ich glaube, dass du alles kannst.«
»Du musst mich nicht belügen, Daddy. Das ist nicht nötig.«
Stimmt es? Natürlich kann sie nicht alles, niemand kann alles, und ja, natürlich sieht man die Grenzen seines Kindes, man war wegen ihrer Grenzen bei Elternsprechtagen, die Vaterschaft macht einen nicht blind, aber du liebst sie, wahrhaftig, und du ermutigst sie, du sagst ihr (ich hab’s getan, ich schwöre es), dass sie als Mutter in Unsere kleine Stadt großartig war.
Sie hat es durchschaut, nicht wahr? Sie ist schlauer, als sie es sich anmerken lässt.
Wie erklärst du ihr, dass dir ihre, Anführung, Grenzen, Abführung, egal sind?
Er sagt: »Ich liebe dich. Ich liebe dich, egal, was du machst.«
Sie antwortet: »Ich glaube, du hast dich nach besten Kräften darum bemüht, mich zu lieben. Ich glaube, du hast deinerseits Grenzen.«
Scheiße.
Bist du deshalb so jüngferlich, bleibt dein Bett deshalb schmal? Willst du deswegen so wenig?
Chinatown fällt zurück und wird von der beunruhigenden braunen Masse von Tribeca abgelöst, der feierlichen Stille auf den Straßen.
Im Gegensatz zu Chinatown wirkt die nächtliche Stille von Tribeca nicht erwartungsvoll. Wenn es jeden Tag ein paar Stunden lang möglich ist, sich die Haare schneiden zu lassen, eine Lampe zu kaufen oder ein Abendessen für dreihundert Dollar zu sich zu nehmen, scheint das keine große Rolle zu spielen, nicht für die breiten, lichtgebleichten Straßen oder die graubraune Rechtschaffenheit der Gebäude, die genau die gleichen Umrisse aus dem New Yorker Himmel geschnitten haben, bevor dein Großvater geboren wurde.
Er sagt: »Ich bin mir sicher, dass ich es getan habe. Ich bin mir sicher, dass ich es tue.«
Er wird von dem seltsamen, fast überschwänglichen Wunsch erfüllt, dass sie ihn anschreit, es ihm gibt, ihn anklagt und beschimpft, eines jeden bekannten Verbrechens bezichtigt, damit er nicht mehr antworten muss, nicht darum ringen muss, was er als Nächstes sagen soll.
Doch sie wird es nicht tun, oder? Sie ist, war es schon immer, mürrisch und in sich gekehrt, neigte als Kind dazu, leise, wütende kleine Lieder zu singen, die sie erfunden hatte.
Sie sagt Folgendes: »Ich hasse es, die verletzte Tochter zu sein, die mehr Zuwendung braucht. So möchte ich nicht sein.«
»Wie kann ich dir jetzt helfen?«, fragt er. »Was
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