In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
Lob bekommt, auf das sie sich ihrer Erfahrung nach verlassen kann. Wenn Peter ihre Arbeiten nur ein bisschen mehr lieben würde! Oder für Victoria ein bisschen weniger übrighätte.
»Bereit, dich an die Arbeit zu machen?«, sagt Peter.
»M-hm.«
»Möchtest du einen Tee?« Sie ist Teetrinkerin.
»Das wäre schön, ja.«
Peter geht ihn holen, erntet einen kurzen, dankbaren Blick von Uta. Warum sollte Uta Getränke für eine Frau holen, die sie nicht beachtet?
Peter betritt den Abstellraum, in dem die Kaffee- und Teesachen aufbewahrt werden, schaltet den Elektrokochtopf ein. Hier stehen auch die Behälter, in denen diverse Stücke von diversen Künstlern der Galerie aufbewahrt werden, bereit, sie jedem interessierten Kunden zu zeigen, alle sorgfältig in Plastik gehüllt, alle etikettiert. Peter und Uta haben alles fest im Griff.
Auch das ist eine Metapher. Oder? Künstler produzieren Kunst, und manche davon liegt in Wartestellung, in einem Raum, bis jemand sein Interesse daran bekundet. Das ist nicht schlimm. Nicht traurig.
Und dennoch muss Peter raus.
Er schafft es zu warten, bis das Wasser kocht, so hinüber ist er noch nicht, und eine Tasse grünen Tee für Victoria aufzubrühen.
In der Galerie sind Vic und Uta mitten in einem Gespräch über die zweite Installation, die in die Nordecke kommen wird. Peter bringt Victoria ihren Tee. Sie nimmt ihn mit beiden Händen, als wäre er eine Opfergabe.
»Danke.«
»Bitte schön.«
Peter sagt: »Ich muss mal kurz weg, bin gleich wieder da.«
Er weicht Utas fragendem Blick aus – Peter geht nie »mal kurz weg«, es gibt keine Besorgung, von der Uta nichts weiß. Sie haben keine Geheimnisse voreinander.
»Bis dann«, sagt Uta.
Armer Tölpel, schau im Badezimmer vorbei und überprüfe deine Haare, bevor du gehst. Sorg dafür, dass nichts in deinen Zähnen hängt.
Und dann geh. Was ist, wenn er nicht zurückkommt? Kann er sich ausmalen, wie Uta zu den Leuten sagt: Er hat mir nicht einmal gesagt, wohin er geht? Ja. Er kann es.
Er zwingt sich dazu, genau sieben Minuten zu spät zu kommen, weil er die Vorstellung nicht ertragen kann, warten zu müssen, obwohl sich Missy natürlich mehr als sieben Minuten verspäten könnte, und natürlich fragt sich Peter insgeheim, ob er Missy womöglich verpasst, wenn er sieben Minuten zu spät kommt, ob Missy da gewesen und schon wieder gegangen ist, und in diesen besonders verrückten Panikanfall mischt sich, als er die vertrauten Starbucks-Türen ansteuert, ein schmerzhaft triumphierendes Gefühl, weil er sich so viel daraus macht. Wie viele Jahre hat er eigentlich in irgendeinem Hinterstübchen seines Hirns gehofft, dass irgendeine Zusammenkunft nicht stattfinden wird, dass er befreit sein wird, dass ihm die Stunde, die für eine geschäftliche Verabredung oder einen Freund vorgesehen war, geschenkt wird (na ja, eigentlich hat er keine richtigen Freunde, es sei denn, er zählt Uta dazu – wie ist es überhaupt dazu gekommen, er hatte eine ganze Schar Freunde, als er jünger war)?
Er probiert eine der gläsernen Doppeltüren, stellt fest, dass sie abgeschlossen ist (warum ist in New York immer eine von zwei Türen abgeschlossen?), überlebt die kurze Verlegenheit, tritt durch die unverschlossene ein. AmVormittag ist das Starbucks etwa halbvoll, einige Frauenpaare, zwei jüngere Typen, jeder für sich, jeder mit einem Laptop, es ist das beste Angebot in der Stadt, vier vierzig für einen Kaffee, und man kann den ganzen Tag lang sitzen bleiben.
Und dort, an einem Fenstertisch im hinteren Teil, ist Missy.
»Hey«, sagt Missy. Denn wirklich, was sollte er sonst sagen?
Peter sagt: »Schön, dich zu sehen.« Macht sich der Sarkasmus bemerkbar?
Missy hat bereits einen Kaffee (einen großen Cappuccino, unmöglich, so etwas nicht festzustellen). Er sagt: »Möchtest du einen Kaffee?«
Peter will einen. Eigentlich will er keinen, aber es kommt ihm seltsam vor, Missy ohne ein Getränk gegenüberzusitzen. Er stellt sich in der Schlange an (zwei Leute vor ihm, ein fülliges schwarzes Mädchen und ein Typ mit überkämmtem Glatzenansatz, der einen fussligen Pullover trägt, zwei von vielen, die zufällig nicht auf Victorias T-Shirts und Lunchboxen abgebildet sind, es aber jederzeit sein könnten). Peter gelingt es nach besten Kräften, dieses schreckliche, übliche Zwischenspiel hinter sich zu bringen, anzustehen und zu warten, bis er seinen Kaffee bestellen kann.
Dann ist er wieder an Missys Tisch und kämpft gegen die
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