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In dieser Straße wohnt die Angst

In dieser Straße wohnt die Angst

Titel: In dieser Straße wohnt die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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in den Häusern«, unterbrach ich meinen Freund. »Und da holen wir sie raus.«
    »Sicher, sicher«, antwortete Bill, doch die Worte waren ohne große Überzeugung gesprochen. Ihn hatte das Gefühl der Angst gepackt, und er konnte es einfach nicht so ohne weiteres abschütteln, auch wenn er durch mein Kreuz ein wenig geheilt war.
    »Du gehst trotzdem mit«, machte ich Bill klar. »Ich kann dich nicht allein zurücklassen.«
    Bill lächelte nur und sah zu, wie ich mich der schief in den Angeln hängenden Tür näherte. Diese Stadt, die einzelnen Häuser, sie kamen mir vor, als wären sie schon einige Hundert Jahre alt. Auf alten Holzstichen und Bildern hatte ich solche Städte gesehen, und ich fragte mich, wer sie erbaut hatte.
    Das Holz war ziemlich morsch und auch feucht. Das stellte ich fest, als ich die Finger meiner rechten Hand um die Türkante legte. Ich mußte kräftig ziehen, denn sie schleifte mit einer Kante nicht nur über dem Boden, sie hing sogar noch fest, und erst bei einem zweimaligen Ruck gelang es mir, die Tür so weit zu öffnen, daß wir hindurch und in das Haus gehen konnten.
    Es roch klamm und irgendwie feucht. Nach Alter, nach Moder, nach Vergänglichkeit.
    Es war so still im Haus, daß wir kaum wagten zu atmen, deshalb hielten wir die Luft für einen Moment an.
    Nichts rührte sich.
    Da draußen auch kein Wind wehte, konnte er nicht mit den Sparren und Balken spielen, so daß die Stille auf uns schwer und auch beklemmend wirkte.
    Ein sehr enger Flur hatte uns aufgenommen. Auch die Decke war niedrig. Beide mußten wir die Köpfe einziehen. So baute man heute nicht mehr, und ich sah auch die schmale Stiege, die in die obere Etage des Hauses führte.
    Ein wenig wurde ich bei diesem Haus an den Besuch im HORRORLAND erinnert, wo wir den Geist des Rippers jagten. [2]
    Nur hatte man im HORRORLAND das alte Soho nachgebaut, und zwar so, daß sich niemand innerhalb der Häuser verletzen konnte, weil alle Sicherungsvorschriften eingehalten worden waren.
    Diesen Fall hatten wir hier nicht. In dem Haus war alles alt und echt. Bill drückte sich hinter meinem Rücken an mir vorbei und ging auf die Stiege zu. Er mußte sich auch dort ducken, faßte nach dem Geländer und drückte wohl etwas zu stark zu, denn das Holz brach ihm buchstäblich unter den Fingern weg.
    Als es brach und die Stücke zu Boden prallten, hörte sich dies in der Stille überlaut an, und wir zuckten beide zusammen.
    »Da können wir nicht hoch«, erklärte Bill.
    »Ja, leider.«
    Dann hörten wir die Stimme. Es war die einer Frau, und sie erklang über uns auf.
    Sofort bewegten wir uns zurück, blieben nahe der Eingangstür stehen und schauten zur Treppe hin.
    Noch ließ sich dort niemand blicken. Dafür vernahmen wir über uns Schritte.
    Dumpf klangen sie durch das Haus. Ein stetiges Poch-Poch, das sich immer mehr der Treppe näherte.
    »Sie kommt«, wisperte Bill.
    Auch ich war gespannt, wer in diesem Haus lebte. Bisher hatten wir gedacht, daß die Straße der Angst leer sein würde, aber dem schien nicht so zu sein.
    Die Schritte hatten die Treppe erreicht. Einen Herzschlag später polterten sie schon über die Stufen.
    Uns kam es vor, als würde die Person Holzschuhe tragen. Das war in der Tat der Fall, denn als die Beine in unser Blickfeld gerieten, da sahen wir die Schuhe.
    Sie bestanden aus Holz und waren schwarz gebeizt oder angestrichen. Darüber begann ein dunkler Rock, und eine alte Jacke bedeckte den Oberkörper der Frau, die die Stufen hinunterstieg und uns entgegenkam. Ein Mensch?
    Ja, sie war ein Mensch, und sie lebte hier in dieser Stadt irgendwo im Niemandsland. Unwahrscheinlich…
    Ich habe noch nicht über das Licht gesprochen, das in der Stadt herrschte. Es war zwar nicht hell, das konnte ein violettes Licht auch nicht sein, aber es war irgendwie fahl und dennoch schimmernd, und besaß die Stärke, die ausreichte, um sich orientieren zu können. Auch auf dem Gesicht der alten Frau lag der violette Schimmer und ebenfalls auf den gichtkrummen Händen, die sie zu drohenden Gebärden erhoben hatte.
    Ich mußte an das Märchen Hänsel und Gretel denken. Vor allen Dingen an die darin vorkommende Hexe.
    Die Frau hier sah ebenso aus.
    Sie trug sogar ein Tuch um den Kopf. Das Gesicht war hager, eingefallen, die Nase ein krummer Haken.
    Die Stufen brachen nicht, und auf der Treppenhälfte blieb sie stehen. Sie schaute uns an. Erst Bill, dann mich. Danach öffnete sie ihren zahnlosen Mund und begann zu reden. »Wer seid ihr,

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