In einem anderen Land
einem Stuhl neben meinem Bett. Die Tür zum Gang stand auf. Die Wildheit war fort, und ich fühlte mich so wunderbar wie nie zuvor.
Sie fragte: «Glaubst du jetzt, daß ich dich liebe?»
«Ach, du bist wunderbar», sagte ich. «Du mußt bleiben. Sie können dich nicht wegschicken. Ich bin wahnsinnig in dich verliebt.»
«Wir müssen schrecklich vorsichtig sein. Das vorhin war einfach Wahnsinn. Wir können das nicht tun.»
«Wir können nachts.»
«Wir müssen schrecklich vorsichtig sein. Du mußt dich in Gegenwart von anderen Leuten sehr in acht nehmen.»
«Werde ich.»
«Du mußt. Du bist süß. Nicht wahr, du hast mich lieb?»
«Sag das nicht wieder, du weißt nicht, wie das auf mich wirkt.»
«Dann werde ich mich in acht nehmen. Ich will gar nicht weiter auf dich wirken. Ich muß jetzt gehen, Liebling. Wirklich.»
«Komm gleich wieder.»
«Ich komme, sobald ich kann. Auf Wiedersehen.»
«Auf Wiedersehen, Süße.»
Sie ging hinaus. Gott weiß, ich hatte mich nicht in sie verlieben wollen. Ich hatte mich in niemanden verlieben wollen. Aber Gott weiß, es war geschehen, und ich lag auf dem Bett in meinem Zimmer in dem Lazarett in Mailand, und alle möglichen Dinge gingen mir durch den Kopf, aber ich fühlte mich fabelhaft, und schließlich kam Miss Gage herein.
«Der Doktor kommt», sagte sie. «Er hat vom Comer See telefoniert. »
«Wann wird er hier sein?»
«Er wird heute nachmittag kommen.»
03
Bis zum Nachmittag geschah nichts. Der Doktor war ein dünner, ruhiger kleiner Mann, der anscheinend durch den Krieg aus dem Gleichgewicht gebracht war. Er entfernte mit zartem, vornehmem Mißfallen eine Anzahl kleiner Eisensplitter aus meinem Oberschenkel. Er benutzte ein örtliches Betäubungsmittel, das irgend etwas mit... schnee hieß, das die Gewebe erstarren ließ und, solange die Sonde, das Messer oder die Zange nicht unter die erstarrte Schicht kamen, schmerzunempfindlich machte. Der Patient zeigte genau die Grenzen der anästhesierten Stelle an, und nach geraumer Zeit war die zarte Empfindsamkeit des Doktors erschöpft, und er sagte, es sei besser, eine Röntgenaufnahme zu machen. Sondieren ist unzulänglich, sagte er.
Die Röntgenaufnahme wurde im Ospedale Maggiore gemacht, und der Arzt, der sie machte, war leicht erregbar, tüchtig und guter Laune. Indem man mich im Rücken stützte, ermöglichte man es mir, einige der größeren Fremdkörper durch den Apparat zu sehen. Die Platten sollten später herübergeschickt werden. Der Arzt bat mich, meinen Namen, mein Regiment und etwas über mein Empfinden in sein Notizbuch zu schreiben. Er erklärte, die Fremdkörper seien häßlich, widerwärtig und brutal. Die Österreicher seien Scheißkerle. Wieviel hätte ich getötet? Ich hatte keinen getötet, aber ich war bemüht, ihm zu gefallen - und ich sagte, ich hätte eine ganze Menge getötet. Miss Gage war mit mir dort, und der Doktor legte seinen Arm um sie und sagte, sie sei schöner als Cleopatra. Ob sie verstände? Cleopatra, frühere Königin von Ägypten. Ja, bei Gott, das war sie. Wir fuhren mit dem Krankenwagen wieder in unser kleines Lazarett zurück, und nach einiger Zeit und vielem Heben war ich wieder oben und im Bett. Die Platten kamen noch am Nachmittag. Der Doktor hatte gesagt, bei Gott, er würde sie noch am selben Nachmittag haben, und so war es auch. Catherine Barkley zeigte sie mir. Sie waren in roten Umschlägen, und sie nahm sie aus den Umschlägen heraus und hielt sie gegen das Licht, und wir sahen sie uns zusammen an.
«Das ist dein rechtes Bein», sagte sie und steckte die Platte wieder in den Umschlag. «Und dies ist das linke.»
«Steck sie weg», sagte ich, «und komm her an mein Bett.»
«Ich kann nicht», sagte sie. «Ich hab sie nur einen Augenblick reingebracht, um sie dir zu zeigen.»
Sie ging hinaus, und ich lag da. Es war ein heißer Nachmittag, und ich hatte es satt, im Bett zu liegen. Ich schickte den Pförtner weg, Zeitungen zu besorgen, alle Zeitungen, die er bekommen konnte.
Bevor er zurück war, kamen drei Ärzte in mein Zimmer. Ich habe bemerkt, daß Ärzte, die keinen Erfolg in der Ausübung ihres Berufs haben, die Neigung zeigen, bei Konsultationen die Gesellschaft und den Rat ihrer Kollegen in Anspruch zu nehmen. Ein Arzt, der dir den Blinddarm nicht ordentlich rausnehmen kann, wird dir einen Doktor empfehlen, der wiederum nicht in der Lage ist, dir erfolgreich die Mandeln rauszunehmen. Dies waren drei solcher Ärzte.
«Dies ist der junge Mann»,
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