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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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schon jemand anders liebgehabt.»
    «Und was ist aus ihm geworden?»
    «Er fiel.»
    «Ja, und wenn das nicht passiert wäre, dann hätte ich dich nie getroffen, Liebling. Ich bin nicht treulos, Liebling. Ich hab genug andere Fehler, aber treulos bin ich nicht. Du wirst mich überkriegen, so treu bin ich.»
    «Ich werde sehr bald wieder an die Front müssen.»
    «Wir wollen nicht daran denken, bevor's soweit ist. Siehst du, Liebling, ich bin so glücklich; wir haben's doch wirklich herrlich, Ich bin so lange nicht glücklich gewesen, und als ich dich traf, war ich vielleicht beinahe verrückt. Vielleicht war ich verrückt. Aber jetzt sind wir glücklich, und wir haben uns lieb. Bitte, laß uns einfach nur glücklich sein. Du bist doch glücklich, nicht wahr? Tu ich irgendwas, was du nicht ma gst? Kann ich irgendwas tun, um dir zu gefallen? Soll ich mein Haar aufmachen? Willst du spielen?»
    «Ja, und komm ins Bett.»
    «Gut, ich will nur gehen und die Patienten versorgen.» 

07
    So ging der Sommer hin. Von den Tagen weiß ich eigentlich nicht viel, nur daß sie sehr heiß waren, und daß die Zeitungen von vielen Siegen berichteten. Ich war sehr gesund, und meine Beine heilten schnell, so daß es nicht sehr lange dauerte - nachdem ich das erste Mal auf Krücken ging -, bis ich sie auch schon los war und am Stock gehen konnte. Dann begann ich die Behandlung im Ospedale Maggiore, um mein Knie wieder gelenkig zu machen. Mechanische Behandlung, in einem Spiegelkasten unter violetten Strahlen braten, Massage und Bäder. Ich ging nachmittags hin und machte im Café Station, trank was und las die Zeitungen. Ich streifte nicht in der Stadt umher, sondern ging vom Café aus nach Hause, ins Lazarett. Ich wollte nichts als Catherine sehen. Die übrige Zeit schlug ich tot, so gut es ging. Meistens schlief ich vormittags, und nachmittags ging ich manchmal zum Rennen und spät nachmittags zu der mechanisch-therapeutischen Behandlung. Manchmal blieb ich im Anglo-Amerikanischen Club und saß in einem tiefen, ledernen Clubsessel vor dem Fenster und las die Zeitschriften. Man ließ uns nicht mehr zusammen ausgehen, seitdem ich die Krücken los war, weil es sich nicht schickte, daß man eine Schwester mit einem Patienten unbeaufsichtigt antraf, der nicht so aussah, als ob er Beistand brauchte. So waren wir nachmittags nicht viel zusammen. Doch manchmal konnten wir zusammen zum Essen ausgehen, wenn Ferguson mitkam. Miss Van Campen ließ die Tatsache, daß wir sehr befreundet waren, gelten, weil sie eine Unmasse Arbeit aus Catherine herausholen konnte. Sie glaubte, daß Catherine aus sehr guter Familie war, und das beeinflußte sie endgültig zu ihren Gunsten. Miss Van Campen hielt große Stücke auf Familie und kam selbst aus einer erstklassigen Familie. Im Lazarett war jetzt allerhand zu tun, und das hielt sie beschäftigt. Es war ein heißer Sommer, und ich kannte viele Leute in Mailand, war aber immer bedacht, sobald der Nachmittag vorbei war, wieder nach Hause ins Lazarett zurückzukommen. An der Front gingen sie am Carso vor; man hatte Kuk gegenüber von Plava genommen und war dabei, das Bainsizza-Plateau zu erobern. Von der Westfront schienen die Nachrichten weniger günstig. Es sah aus, als ob der Krieg noch eine Zeit andauern würde. Wir waren jetzt auch im Krieg, aber ich dachte, wir würden ein Jahr brauchen, um eine größere Anzahl von Soldaten herüberzuschaffen und sie ordentlich auszubilden. Nächstes Jahr war sicher ein schlechtes Jahr, aber vielleicht auch ein gutes. Die Italiener verbrauchten eine Unmenge Soldaten. Ich sah nicht, wie das weitergehen sollte. Selbst wenn sie die ganze Bamsizza und den Monte San Gabriele nahmen, gab es noch reichlich viele Berge dahinter, die den Österreichern gehörten. Ich hatte sie gesehen. All die ganz hohen Berge lagen noch jenseits. Auf dem Carso ging es vorwärts, aber unten am Meer gab es Marsch- und Sumpfland. Napoleon hätte die Österreicher in der Ebene geschlagen. Nie hätte er sie in den Bergen bekämpft. Er hätte sie herabkommen lassen und sie in der Gegend von Verona besiegt. Immerhin besiegte niemand irgendwen an der Westfront. Vielleicht wurden Kriege nicht mehr gewonnen. Vielleicht dauerten sie ewig.
    Vielleicht war es ein zweiter Hundertjähriger Krieg. Ich hängte die Zeitung wieder an den Haken und verließ den Club. Ich ging vorsichtig die Stufen hinunter und die Via Manzoni hinauf. Vor dem Gran Hotel traf ich den alten Meyers und seine Frau, als sie aus einer

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