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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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erledigt. Die Deutschen gewannen die Siege. Bei Gott, das waren Soldaten. Der alte Hunne, das war ein Soldat. Aber auch sie waren erledigt. Wir waren alle erledigt. Ich fragte ihn, was er von Rußland hielte. Er sagte, das sei bereits erledigt. Ich würde es schon bald sehen, daß es erledigt sei. Und die Österreicher seien auch erledigt. Wenn sie ein paar Hunnendivisionen bekämen, könnten sie es schaffen. Ob er glaubte, daß sie diesen Herbst angreifen würden? Natürlich würden sie. Die Italiener seien erledigt. Jeder wüßte, daß sie erledigt wären. Der alte Hunne würde durchs Trentino hereinbrechen und die Eisenbahnlinie bei Vicenza abschneiden, und was w ürde dann aus den Italienern werden? Das haben sie schon 1916 versucht, sagte ich. Nicht die Deutschen. Doch, sagte ich. Aber vielleicht würden sie das auch nicht machen, sagte er. Das sei zu einfach. Man würde etwas Kompliziertes versuchen und damit herrlich hereinfallen. Ich müßte gehen, sagte ich. Ich müßte ins Hospital zurück. «Auf Wiedersehen», sagte er, und dann aufgekratzt: «Und alles erdenkliche Glück!» Es war ein großer Kontrast zwischen seinem Weltpessimismus und seiner persönlichen Aufgekratztheit.
    Ich machte an einem Friseurladen halt und ließ mich rasieren und ging ins Lazarett zurück. Mein Bein war jetzt so gut, wie es wohl lange sein würde. Ich war vor drei Tagen untersucht worden. Ich mußte noch eine kurze Behandlung durchmachen, bevor mein Kursus im Ospedale Maggiore beendet war, und ich ging den Bürgersteig entlang und übte mich im Nicht-Hinken. Ein alter Mann schnitt unter einer Arkade Silhouetten. Ich blieb stehen, um ihm zuzusehen. Zwei Mädchen standen Modell, und er schnitt ihre beiden Silhouetten, schnippelte sehr schnell und sah sie hin und wieder an, den Kopf zur Seite geneigt. Die Mädchen kicherten. Er zeigte mir die Silhouette, bevor er sie auf weißes Papier aufklebte und sie den Mädchen reichte.
    «Schön, nicht wahr?» sagte er. «Wie ist es mit Ihnen, Tenente?»
    Die Mädchen gingen weg, besahen sich ihre Silhouetten und lachten. Es waren gutaussehende Mädchen. Eine von ihnen arbeitete in der Weinhandlung gegenüber vom Lazarett.
    «Gut», sagte ich.
    «Nehmen Sie die Mütze ab.»
    «Nein, mit Mütze.»
    «Es wird nicht so schön werden», sagte der alte Mann, «aber», und sein Gesicht klärte sich auf, «es wird militärischer.»
    Er schnippelte auf das schwarze Papier los, dann trennte er die beiden Schichten und klebte die Profile auf eine Karte und reichte sie mir.
    «Wieviel macht's?»
    «Ist gut so.» Er winkte mit der Hand. «Ich hab sie so für Sie gemacht.»
    «Bitte», sagte ich. Ich brachte ein paar Kupfermünzen zum Vorschein. «Per piacere.»
    «Nein, ich hab sie zum Vergnügen gemacht. Schenken Sie sie Ihrem Mädchen.»
    «Vielen Dank und auf Wiedersehen.»
    «Auf Wiedersehen.»
    Ich ging weiter, ins Lazarett. Es waren Briefe für mich angekommen, ein offizieller und einige andere. Ich sollte drei Wochen Rekonvaleszentenurlaub bekommen und dann wieder an die Front zurückgehen. Ich las es sorgfältig durch. Na, das war das. Der Erholungsurlaub begann am 4. Oktober, wenn mein Kursus beendet war. Drei Wochen waren 21 Tage. Das war der 25. Oktober. Ich sagte Bescheid, daß ich nicht zum Abendessen da sein würde, und ging vom Lazarett die Straße ein Stückchen hinauf ins Restaurant, um dort meine Briefe und den Corriere della Sera beim Essen zu lesen. Ein Brief war von meinem Großvater, er enthielt Familien-Nachrichten, patriotische Ermutigungen, einen Scheck auf 200 Dollar und ein paar Zeitungsausschnitte; ein langweiliger Brief war vom Priester aus unserem Kasino, ein Brief von einem Bekannten, der als Flieger bei den Franzosen war und der in eine wilde Gesellschaft geraten schien und mir davon berichtete, und einige Zeilen von Rinaldi mit der Anfrage, wie lange ich denn noch in Mailand herumlungern würde und was es Neues gäbe. Ich sollte Grammophonplatten mitbringen; er fügte eine Liste bei. Ich trank zum Essen eine kleine Flasche Chianti und nachher einen Kaffee und einen Cognac, las die Zeitung, steckte meine Briefe in die Tasche, ließ die Zeitungen mit dem Trinkgeld auf dem Tisch zurück und ging hinaus. In meinem Zimmer, im Lazarett, zog ich mich aus, zog Pyjama und einen Schlafrock an, zog die Gardinen vor der Tür, die sich auf den Balkon öffnete, herunter, und las im Bett sitzend Bostoner Zeitungen von einem Haufen, den Mrs. Meyers für ihre Jungens im Lazarett gelassen

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