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In einem Boot (German Edition)

In einem Boot (German Edition)

Titel: In einem Boot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Rogan
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erst bei meiner Schwester Miranda angekommen, als er auf seine Uhr schaute und sagte: »Es tut mir leid, aber unsere Zeit ist um.« Sein Ton jedoch strafte seine Worte Lügen: Es tat ihm nicht im Mindesten leid. Es schien so, als ob die Entwicklung in meiner Sache nur eins von vielen erfreulichen Ereignissen war, aus denen seine Tage bestanden. Ich fragte mich, wohin er als Nächstes ging, wen er befragte, doch dann bremste ich meine Gedanken. Ich hatte den Verdacht, dass er mich durch meine Neugier in eine Art Falle locken wollte und ich mich besser an meinen Plan hielt, mein Leben so nüchtern und sachlich wie möglich darzulegen.
    Unser nächstes Treffen begann er mit den forschen Worten: »Mrs Grant repräsentierte für Sie also die ideale Mutter.«
    »Ich bin eine verheiratete Frau, Dr. Cole. Ich brauche keine Mutter.«
    »Aber Ihre eigene Mutter war für Sie eine Enttäuschung.«
    »Vermutlich. Aber das Leben ist voller Enttäuschungen, nicht wahr? Und zu dieser Zeit war ich bereits in der Lage, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen.«
    »Und wie, wenn ich fragen darf?«
    Ich erzählte ihm, wie ich mithilfe unseres Anwalts die Mietwohnung für mich und meine Mutter fand, wie ich den Verkauf unserer Besitztümer überwachte und schließlich, wie Henry mich heiratete.
    »Aha«, sagte Dr. Cole, und ich erwartete, dass er noch mehr sagen würde, was er aber nicht tat. War für ihn die Erkenntnis, dass Frauen in der Welt bessergestellt waren, wenn sie einen Ehemann hatten, eine weltbewegende Entdeckung? Ich werde es nie erfahren, denn als er wieder sprach, sagte er: »Wenden wir uns nun Ihrer Schwester zu. Hat irgendjemand auf dem Boot Sie an sie erinnert?«
    Es belustigte mich, dass er versuchte, die Insassen des Rettungsboots mit Familienmitgliedern gleichzusetzen. Vermutlich brachte er die Sprache auf Miranda, weil sie unwichtig war und er auf Umwegen zu Mr Hardie kommen konnte, von dem er wahrscheinlich annahm, dass er mich an meinen Vater erinnert hatte. Ich lachte innerlich über diese Absurdität, sah aber keinen Grund, warum ich nicht mitspielen sollte. Und natürlich hatte ich lange vor Dr. Cole die vielen Ähnlichkeiten zwischen Miranda und Mary Ann erkannt. Natürlich war Mary Ann viel emotionaler als Miranda, aber irgendwie hatte Mary Ann in meinen Augen die Seele einer Gouvernante. Ich sagte: »Wenn ich jemanden auswählen müsste, der mich an meine Schwester erinnerte, würde ich Mary Ann nehmen. Ich liebte sie, aber sie machte mich auch wütend, genauso wie Miranda. Ich wollte mehr für meine Schwester, als sie für sich selbst wollte. Und Mary Ann wollte ihren Robert nicht heiraten, um etwas Großes zu werden, sondern um sich selbst im Kleinen zu festigen, genauso wie Miranda sich mit der kleinlichen Sicherheit zufriedengab, anstatt um den Hauptgewinn zu spielen.«
    »Und Sie sind eine Spielerin?«, fragte Dr. Cole, woraufhin ich laut auflachte.
    Wir redeten noch ein bisschen über Mary Ann, und ich sagte ihm, dass ich jeweils im Vorfeld geglaubt hatte zu wissen, wie sie auf die Dinge reagieren würde, weil sie mich an Miranda erinnert hatte. Ich ahnte, was sie sagen würde, als ich sie fragte, ob sie Kinder mochte, ob sie gerne Kinder auf ihrem Schoß sitzen hatte und ihnen etwas vorlas. Ich lag ziemlich richtig mit meiner Vermutung. In ihren Augen schimmerte ein verträumter, glücklicher Ausdruck, und sie sagte: »Robert und ich wollen Kinder …« Doch dann verstummte sie, weil ihr klar wurde, dass dies womöglich nie wahr werden würde. Ich wusste natürlich, dass sie Angst hatte, auf See zu sterben, aber ich missverstand sie absichtlich und interpretierte ihre Bemerkung als Sorge, dass Robert nicht auf sie warten würde oder sie aus irgendeinem Grund nicht mehr haben wollte, wenn sie zurückkehrte. Ich sagte: »Sie könnten jederzeit als Gouvernante arbeiten. Auf diese Weise haben Sie viele Kinder.« Sie schaute mich mit einem merkwürdigen Blick an, während eine Träne eine salzige Spur auf ihrer Wange hinterließ. Später fragte sie mich, ob Henry und ich denn keine Kinder haben wollten, und ich erwiderte, dass wir das natürlich wollten. Aber ich wollte ein Kind aus demselben Grund, wie eine Königin eins haben wollte: als Erbe, nicht als Spielgefährten.
    Ich sagte Dr. Cole, ich wüsste, dass ich gemein gewesen war, dass aber Mary Ann mich provoziert hatte und dass unser aller Nerven blank gelegen hatten, was uns dazu veranlasste, unserem Ärger nachzugeben, den wir unter normalen

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