In einer anderen Welt (German Edition)
langsam den Kopf und sah, glaube ich, eine der hässlichen Feen, die, bis auf die Augen, nicht wie Menschen aussehen, sondern eher wie Gnome. Er blinzelte.
»Hast du sie gesehen?«, fragte ich.
»Ich glaube schon. Ihr Spiegelbild. Wenn sie da ist und du sie sehen kannst, warum kann ich sie dann nicht sehen? Ich glaube dir, wirklich. Die andere habe ich ja auch gesehen.«
»Ich weiß es nicht. Es gibt so vieles, was ich nicht über sie weiß. Wenn sie nicht wollen, sehe ich sie auch nicht.«
Die Fee lächelte auf widerwärtige Weise, als könnte sie mich verstehen. »Los, komm«, sagte ich. »Sonst werde ich noch zum Eiszapfen.«
Es fiel mir schwer, aufzustehen und die ersten Schritte zu machen. Auf einer Mauer zu sitzen ist für mein Bein besser als Stehen, aber toll ist es trotzdem nicht. Wim bot mir seine Hilfe an, aber das bringt nichts, leider. Er legte mir die Hand auf den Arm, auf den anderen Arm, den linken. »Kann ich dir wenigstens die Tasche abnehmen?«, fragte er.
»Wenn du eine Tasche hast, kannst du die Bücher tragen. Aber die Tasche muss ich behalten.«
»Willst du damit sagen, dass sie irgendwie magisch ist?«
Wir starrten beide die Tasche an, die vor Büchern aus der Bibliothek fast platzte. Etwas, das weniger magisch aussah, hätte man bei bestem Willen nicht finden können. »Na ja, sie ist halt ein Teil von mir«, sagte ich kleinlaut.
Er hatte keine Tasche dabei, nahm mir aber trotzdem ein paar Bücher ab und trug sie unter dem Arm. »Also«, sagte er, nachdem wir aus dem Wald getreten waren. »Endlich richtigen Kaffee, nicht diese Nescafé-Brühe.«
»Was meinst du mit ›richtigem Kaffee‹?«, fragte ich.
»Bei Marios gibt es richtigen Filterkaffee, den sie aus Kaffeebohnen machen. Man kann riechen, wie sie ihn mahlen und rösten.«
»Kaffee riecht vielleicht toll, aber er schmeckt furchtbar.«
»Du hast noch nie richtigen Kaffee getrunken«, sagte er im Brustton der Überzeugung. Und er hatte ja auch recht. »Warte nur ab!«
Marios ist eines der hell erleuchteten Neoncafés an der Hauptstraße, wo die Mädchen aus der Schule hingehen, um sich mit Jungs zu treffen. An den Tischen wimmelte es nur so von ihnen. Wir setzten uns ganz hinten an einen freien Tisch. Wim bestellte zweimal Filterkaffee. In der Jukebox lief »Oliver’s Army«, und zwar ziemlich laut. Es war grässlich, aber wenigstens warm. Wim legte meine Bibliotheksbücher auf den Tisch, und ich tat sie zurück in die Tasche.
»Wie ist sie gestorben?«, fragte er noch einmal, als wir uns setzten.
»Dafür ist hier nicht der richtige Ort«, erwiderte ich.
»Im Wald war nicht der richtige Ort, und hier auch nicht?«, fragte Wim. Er umfasste meine Hand, die auf dem Tisch lag. Ich bekam keine Luft mehr. »Jetzt erzähl schon.«
»Es war ein Autounfall. Aber eigentlich steckt meine Mutter dahinter«, sagte ich. »Meine Mutter wollte etwas tun, das mit gewaltigen Mengen von Magie zusammenhing, um Macht zu erlangen und die Weltherrschaft, glaube ich. Die Feen haben davon erfahren, und sie haben uns gesagt, was wir dagegen tun konnten. Sie hat versucht, uns daran zu hindern, und dabei versuchte sie auch, Dinge einzusetzen, die nicht real waren, die über uns herfielen. Wir mussten einfach weitermachen. Ich dachte, wie würden beide sterben, aber das wäre es wert gewesen. Jedenfalls haben die Feen das gesagt, und wir waren beide dazu bereit. Alles, was sie gegen uns ins Feld warf, war magischen Ursprungs, das waren Illusionen, jedenfalls glaubte ich das, als ich die Lichter sah, aber es war ein echtes Auto.«
»Himmel, wie furchtbar für den Fahrer«, sagte Wim.
»Ich weiß nicht, was er gesehen oder was er gedacht hat. Ich war in keinem Zustand, um ihn zu fragen.«
»Aber ihr habt sie aufgehalten? Deine Mutter?«
»Wir haben sie aufgehalten. Aber Mor kam dabei ums Leben.«
Die Kellnerin stellte zwei rote Tassen mit schwarzem Kaffee vor uns auf den Tisch. Eine war übergeschwappt, auf die Zuckerpäckchen in der Untertasse. Wim zahlte, bevor ich etwas sagen konnte.
»Und was ist dann passiert?«, wollte er wissen.
Natürlich konnte ich ihm nicht erzählen, was in jenen schrecklichen Tagen nach Mors Tod passiert war, oder von dem Bluterguss auf ihrer Wange, wie sie im Koma lag, wie meine Mutter die Maschine abgeschaltet hat, wie ich hinterher angefangen habe, ihren Namen zu tragen, was niemand hinterfragte, obwohl ich mir sicher bin, dass Tantchen Teg mich durchschaute und Opa wahrscheinlich auch. Wir mochten vielleicht
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