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In einer anderen Welt (German Edition)

In einer anderen Welt (German Edition)

Titel: In einer anderen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Walton
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tat wieder sehr gut. Der Akupunkteur sagte, es sei gut möglich, dass der Streckverband dem Bein Gewalt angetan hatte (so hat er sich wirklich ausgedrückt) und unklug gewesen war. Meine Wortwahl wäre da noch ein wenig deftiger, aber schließlich ist es ja mein Bein, und für ihn ist es nur ein Bein unter vielen. Während ich auf dem Tisch lag, habe ich die ganze Zeit die Karte betrachtet und mir die Punkte gemerkt und was sie bewirken. Gut möglich, dass mir das mal etwas nützt. Vielleicht hilft es schon, wenn ich nur darauf drücke. Wenn die Nadeln drinstecken, kann ich die Magie spüren, das »Chi«, das sich langsam durch meinen Körper bewegt und wie ein Funken überspringt, wo ich vorher Schmerzen hatte. Ich werde es ohne Nadeln versuchen – mal sehen, vielleicht kann ich die Schmerzen ja ableiten. Am einfachsten wäre es, sie irgendwo anders hinein zu tun, in einen Stein oder ein Stück Metall, aber dann würden sie sich auf jeden übertragen, der das aufhebt. Die Akupunktur leitet sie, soweit ich das begreife, aus der Welt hinaus. Klasse Trick, wenn man’s kann.
    Hinterher bin ich – die Treppe schneller hinunter als hinauf! – dorthin zurückgegangen, wo ich Wim gelassen hatte, und setzte mich ihm gegenüber. Die Kaffeemaschine stieß eine nach Kaffee duftende Dampfwolke aus. »Lass uns irgendwo anders hingehen«, sagte er. »Mir reicht’s hier.«
    Als wie draußen waren, besserte sich seine Laune wieder. Er hielt meine Hand, was nett war, aber noch netter wäre gewesen, wenn ich dabei eine Hand frei gehabt hätte. Wir gingen in die Kaufhausbuchhandlung, ohne etwas zu finden, aber es hat Spaß gemacht, sich umzuschauen und einander auf Bücher hinzuweisen. Er ist viel wählerischer als ich und mag auch Autoren, die ich nicht so toll finde, zum Beispiel Dick. Er findet Niven (!) furchtbar und mag Piper nicht besonders. (Wie kann irgendjemand H. Beam Piper nicht hinreißend finden?) Zenna Henderson kennt er überhaupt nicht, und natürlich hatten sie von ihr nichts da. Ich werde mir die Bücher von Daniel mitnehmen und Wim ausleihen.
    Danach habe ich darauf bestanden, ihn zum Essen einzuladen, obwohl es schon mitten am Nachmittag war. Ich war am Verhungern. Wir entdeckten ein Imbisslokal, wo wir uns hinsetzten und Fish & Chips mit Weißbrot und Butter aßen, und ich trank einen wirklich grässlichen Tee, der so lange gezogen hatte, dass er dunkelorange war, und Wim ein Vimto, was ihm, wie er sagte, nicht mehr untergekommen war, seit er acht Jahre alt gewesen war. Darüber musste ich lächeln. Er streichelte mir auch den Handrücken, was noch netter war, als sich beim Gehen an der Hand zu halten, und außerdem viel bequemer. Mir lief ein Schauder den Rücken hinunter.
    Das Imbisslokal war nicht voll, also bestellten wir nach dem Essen noch ein Vimto und eine Limonade – der Tee war so furchtbar, dass ich nicht einmal so tun konnte, als würde ich ihn trinken. So saßen wir im Warmen und Trockenen, während unsere Jacken, die über unseren Stuhlrücken hingen, langsam vor sich hin dampften. Wir unterhielten uns über Tolkien. Er verglich ihn mit Donaldson und mit einem Buch namens Das Schwert von Shannara , das ich nicht kenne, das aber wie ein mieser Abklatsch klingt. Und dann kamen wir nach und nach auf die Elfen zu sprechen. »Vielleicht waren es doch Gespenster«, sagte er.
    »Die Toten können nicht sprechen. Mor konnte nicht sprechen, als ich sie gesehen habe.« Es gelang mir, ihren Namen ganz normal zu sagen, ohne auch nur zu zittern.
    »Vielleicht nicht, wenn sie erst vor Kurzem gestorben sind. Darüber habe ich nachgedacht. Wenn sie erst vor Kurzem gestorben sind, können sie nicht sprechen, und sie sehen auch noch so aus wie früher. Und man kann sie zum Sprechen bringen, indem man Blut verwendet, wie bei Vergil, das hast du doch gesagt, oder? Später beziehen sie ihre Lebenskraft aus Dingen, die lebendig sind, von Tieren und Pflanzen, und sie werden ihnen immer ähnlicher und immer weniger wie Menschen, und sie können sprechen, solange sie so leben.«
    »Aber sie sprechen gar nicht so wie Menschen, nicht einmal wie tote Menschen«, sagte ich. »Was du sagst, klingt einleuchtend, und es würde auch gut in eine Geschichte passen, aber ich bin mir nicht sicher, ob es sich richtig anfühlt.«
    »Es würde erklären, warum sie die Ruinen mögen«, erwiderte er. »Ich bin hinterher noch mal dahin gegangen, am Samstag. Ich konnte sie andeutungsweise erkennen, jedenfalls aus den Augenwinkeln, wenn

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